So, und jetzt zu der Geschichte mit den Schrauben.
Hier im Umkreis gibt es eine Firma die Schrauben gelbchromatiert. Eigentlich wollte ich sie ja bei meinem Simson-Dealer in den Eimer werfen, aber da Kyle und Charly ihre Sachen noch dazugeworfen haben kamen wir auf 45 Kg. Da hätte ich wohl des Dealers Nerven und Eimer überstrapaziert. Also hab ich ihn angerufen und hab mir den Namen von der Firma geben lassen. Da hab ich dann auch mal kurz angerufen und habe nachgefragt wie sie die Schrauben denn vorbehandelt haben wollen. "Kein Problem" hieß es, "Rost und Dreck sind egal, Lack kriegen wir aber nicht weg, das heißt es wird halt nicht gelb." Okay, wunderbar. Da spar ich mir das Strahlen der Schrauben.
Eines schönen Tages hab ich dann meine 45 kg in's Auto geworfen und mich auf den Weg gemacht. Die 50 Kilometer hab ich auch trabantlos genossen, denn die Landschaft bei den komischen Vögeln mit dem AA-Kennzeichen ist doch recht schön.
Die Firma liegt unheimlich versteckt, im Stil "an der alten Buche links ab, dann 15 Fuß nach Nord-Nord-Ost und hinter der Wiese mit den Schneeglöckchen dann nach Südwest und dann haste's vielleicht gefunden." Ich fahr natürlich dran vorbei. Im kleinen Städtchen hab ich dann langsam mitgeschnitten daß ich vielleicht falsch bin und hab an einer stillgelegten Tanke gehalten, wo ein alter Mann grad was ausgeladen hat. Auf meine zweimal wiederholte Frage nach der Adresse (inklusive aussteigen) kam dann "Ha, do missets grummelbrummel do hinda ond werkstodt i bi grummel vo hia."
Jaja, die von dobbe ra. Immer freundlich und hilfsbereit. Und so rücksichtsvolle Verkehrsteilnehmer!
Für die nichteingeweihten: Der Herr sagte mir daß ich schräg über die Straße an der Werkstatt mal nachfragen sollte, da er selber nicht von hier ist. Von dobbe ra ist hier im Umkreis eine spöttische Bezeichnung des Landstriches.
Ich bin dann also mal über die Straße zur Werkstatt gefahren. Schlau wie ich bin stieg ich gleich aus. Vor dem Werkstatttor stehenbleibend versuchte ich den Lehrling der mich wohl gesehen, aber nicht für voll genommen hat, dazu zu überreden mir doch mal fix seine Aufmerksamkeit zu schenken. (In solchen Situationen zeigt sich übrigens wer neig'schmeckter ist und wer wirklich von dort kommt. Ein neig'schmeckter würde seine Arbeit unterbrechen und nachfragen. Einem der von dort kommt fällt es leicht einen winkenden, langhaarigen 1,80m-Mann zu übersehen. ) Aus einem Nebenraum kam dann der Meister und fragte nach meinem Begehr. Ich sagte ihm die Adresse und er gab mir eine detallierte Wegbeschreibung. Geht doch! Weil im Hintergrund ein wirklich altes Auto (BJ 1928, wie ich später rausfand) stand kamen wir in's Gespräch. Mein geschulter Blick hatte auf einer Werkbank schon lange vorher einen Sechszylinderblock mit einem irgendwie vertrautem, aber doch unbekanntem Zeichen drauf ausgemacht. Ich hab ihm dann erzählt daß ich grade Schrauben für meinen Trabant dabei habe, da meinte er "Jaja, Tabant, da hatten wir auch mal einen. Den mit der Plastekarosse." Ich, leicht am grinsen, "Nee, die Karossen waren alle aus Stahlblech. Nur die Anbauteile sind aus Duroplast." "Nee, ich mein den mit dem Rahmen, der aus Plaste halt!" Ich kam einfach nicht drauf. Bis er dann "Der mit dem Wasserkühler" sagte. Da hat es klick gemacht. "Ach, sie meinen einen Baumstamm!" "Hä?" "Ja, nen P70, im Volksmund auch Papp-70 oder ausgehöhlter Baumstamm genannt! Der hatte nen zweizylinder Wasserkühler und den Rahmen vom F8!" "Ja, genau den! Den hatten wir restauriert, den wollte ewig keine Sau haben, die Leute wollen alle Vierzylinder." "Hä, wie sieht denn das aus? Bei +- 20 PS, wie groß sind dann die Kolben?" "Das zeig ich Dir, komm mal mit." Er führte mich zu dem '28er Renault, wo gerade der Zylinderkopf abgenommen war. Die Kolben hatten ungefähr einen Durchmesser von einem Fünfmarkstück. Der ganze Motorblock (OHNE Keilriemen, Lima und Zündung werden direkt von der Kurbelwelle angetrieben!) war ungefähr so kompakt wie der Klimakompressor an einem Oberklassewagen. Niedlich sowas. Ich habe mir einen prüfenden Blick angewöhnt wenn ich vor sowas stehe. Dieses Auto war eins der wenigen an denen ich auf den ersten Blick nichts aussetzen konnte. Keine Lackmacke, nichts schlecht lackiert, auf dem Chrom war kein Rostpickel. Dafür das Verdeckgestänge aus Holz in einem prachtvollem Zustand, genauso wie das Verdeck. Der Meister erzählte dann was an dem Auto alles für raffinierte Lösungen verbaut waren und wo die Elektrik aufgearbeitet wurde. Sehr interessant.
Er sagte dann, als er das Leuchten in meinen Augen gesehen hatte "Schau mal, da hinten auf der Werkbank, da steht der Motorblock von einem der letzten seiner Art. Der findet im letzten Auto seiner Art Platz. Magste sehen?" Ich so "Klar, gernst!" Das Zeichen auf dem Motorblock wollte mir immer noch nicht einfallen. Es sah aus wie das Flügelrad von der Reichsbahn, nur daß in der Mitte kein Rad sondern ein großes W war. Während ich noch rätselte sagte der Meister "Komm mal mit" und brachte mich in den Nebenraum aus dem er gekommen war. Da stand ein Chassis auf dem ein großes Auto platz hat. Das Monster von Differential nötigte schon Respekt ab. "Das hier ist ein Wanderer. Es gibt noch ein paar, aber keiner hat genau dieselbe Ausstattung wie der andere. Den hier hab ich einem Bauern abgekauft." er wies in eine Ecke, wo ein Haufen Metall lag. "Das da ist die Karosse. Die haben Kinder zerlegt und so allerhand kaputtgemacht. Müssen wir alles nachklopfen. Aber wird. Wir hatten da schon schlimmere Patienten."
Unter einem hässlichem Mintgrün schimmerte mich ein grau an. "Kann das sein daß ich den Grauton kenne?" "Kann gut sein. Der ist mal bei den Totenköpfen gelaufen. Die habe den anscheinend aufgegeben und ein Bauer hat ihn gerettet. Wir haben ihn dann 2009 mit drei LKWs hierher gebracht. Guck mal hier!" Er zeigte mir ein Pedal an der Spritzwand wofür mir keine Verwenung einfiel. "Und hier!" er drückte mir eine kleine, stählerne 8 in die Hand, die seltsamerweise Bohrungen hatte. "Das Pedal hier ist die Zentralschmierung. Und die 8 ist die Verbindung zwischen Karosse und Blattfeder. Da kommt jeweils ein Bolzen rein und der wird dann mit allen anderen Sachen zusammen geschmiert wenn der Fahrer auf's Pedal drückt. Genial, oder?" Ich konnte ihm da zustimmen. Da stand ich also, ein Schauer der Ergriffenheit und Ehrfurcht lief mir den Rücken runter. Erstmal vor so einem seltenen Auto zu stehen und dann noch zu wissen daß es in gute Hände gekommen ist...
Er erzählte dann noch etwas von dem guten Sechszylinder und dann war es für mich an der Zeit. Ich hab mich dankend verabschiedet und bin zurück zum Auto gelaufen.
Es fiel mir zugegeben schwer aus der heimeligen Werkstattwelt zurück in die jetzige zu finden. Insgesamt war ich vielleicht ne halbe Stunde da, aber mir kam es viel länger vor.
Ich habe dann die Firma auch gleich gefunden und wollte die Schrauben abgeben. Da mokierte sich plötzlich der Vorarbeiter daß die Teile voller Rost, Dreck und Lack sind! Na Herrlich! Warum ruf ich eigentlich vorher an und frage nach wie die die Schrauben behandelt haben wollen wenn sie's dann eh anders wollen? Ich hab dann die Schrauben wieder eingeladen und die Fahrtkosten als Lehrgeld verbuchen wollen. Aber Lehrgeld erschien mir irgendwie als das falsche Wort...
Wer mein Geschwurbel bis hierhin gelesen hat, dem sei mein tiefster Respekt gezollt. Ich fand die Geschichte zu cool um sie einfach untergehen zu lassen.