noch was:
Süddeutsche Zeitung
07.05.2003
Trabi auf Afrika-Safari
Die Zwickauer Trabantschmiede arbeitet an einer Spezialversion für den schwarzen Kontinent, das Auto soll etwa 3000 Euro kosten
Vielleicht gibt es ja Ausnahmen. Vielleicht gibt es irgendwo ein paar afrikanische Bus- oder Taxifahrer, die anders sind. Deren Fingerknöchel nicht weiß werden, sobald sie das Steuer eines Autos umklammern, deren Augenlider sich nicht verengen, und deren Puls sich nicht erhöht. Wenn es sie wirklich geben sollte, dann halten sie sich gut versteckt. Afrikanische Bus- und Taxifahrer sind nämlich zwanghafte Rennfahrer. Sie rasen die Hänge hinauf und herunter, sie steuern ohne zu bremsen in Kurven hinein und wieder heraus und sie rumpeln mit Vollgas über schlaglochübersäte Asphalt-, Schotter- oder Sandpisten. Da auch sie die Gesetze der Physik nicht außer Kraft setzen können und da die meisten ihrer Autos nahezu schrottreif sind, enden viele Fahrten in einer Katastrophe. Kenia zum Beispiel, so behauptet die Zeitung Daily Nation, hat bei Unfällen, gemessen an der Zahl der Autos, eine der höchsten Todesraten der Welt. Aber auch die Fahrer in Eritrea, Sambia, Nigeria, Südafrika oder Uganda fahren halsbrecherisch.
Autofahren in Afrika: Noch immer sterben auf diesem Kontinent vermutlich mehr Menschen durch Unfälle als durch Kriege. Die meisten Afrikaner würden sich diesem Risiko gerne entziehen, wenn sie nur könnten. Sie müssen sich in Taxis und Busse setzen, weil sie sich kein Auto leisten können. Wenn es aber nach den Plänen des Trabantschmiede Sachsenring in Zwickau geht, soll sich das bald ändern. Sie arbeitet an einer Spezialversion des Trabis für Afrika, einem so genannten AfriCar. An diesem Mittwoch werden die Pläne beim Wirtschaftsgipfel des Economic Forum Deutschland in Kronberg bei Frankfurt präsentiert. Wenn sich genügend Finanziers finden, könnte das erste AfriCar schon in zwei Jahren in Südafrika vom Band laufen.
Der Spezial-Trabi wäre das erste Auto, das in Afrika für Afrika produziert wird. Peter Mandos, der gemeinsam mit einem Südafrikaner die Idee für das AfriCar hatte, glaubt an einen großen Markt südlich der Sahara. Seiner Berechnung nach gibt ein Bürger im Durchschnitt das 26fache seines Monatslohns für ein Fahrzeug aus. Für Afrika bedeutet dies, daß der Trabi nicht mehr als 3000 Euro kosten dürfte. Dieser Preis sei das Limit. Außerdem hätte der Trabi Eigenschaften, die geradezu ideal für den Kontinent seien. Er hat einen einfachen, luftgekühlten Zweitakt-Motor, braucht wenig Benzin und kann leicht und überall repariert werden. "Das AfriCar kann natürlich nicht mit Geländewagen konkurrieren", sagt Mandos, "aber es wäre auf jeden Fall äußerst robust."
Noch ist nicht sicher, wie das Fahrzeug letztlich aussehen wird. Laut Mandos werde es auf jeden Fall einen großen Wassertank haben – "für Ausflüge in die Wüste" – und eine große Ladefläche, da in Afrika die Autos gerne sehr voll beladen werden. Auch werde es über eine Diebstahlsicherung verfügen, schließlich sei die Kriminalität sehr hoch. Ob es aber, wie in einem Entwurf vorgesehen, wirklich zwei Hinterachsen haben wird, ist noch nicht sicher. Auch das Design wird erst später festgelegt. Vermutlich aber wird das AfriCar weder safarigrün sein noch Zebrastreifen haben. Die Kunsthochschule Dessau soll zusammen mit einer afrikanischen Kunstschule den Entwurf für das Auto liefern.
Sollte der Afrika-Trabi ein Erfolg werden, dann könnte er sowohl in Deutschland und als auch in Afrika Existenzen sichern. Denn für den Trabanthersteller Sachsenring, der im Mai vergangenen Jahres Insolvenz anmelden musste, könnte das AfriCar den Fortbestand garantieren, und die Afrikaner, die bislang Busse oder Taxis benutzen mussten, bräuchten als Trabibesitzer oder Mitfahrer eines Trabi-Piloten keine Todesängste mehr ausstehen. Die sächsische Afrikaversion schafft nämlich maximal 80 Stundenkilometer.
Von Michael Bitala