Befragung der "alten Hasen" zum DDR-Werkstattalltag :)

  • Hallo,


    da ich neu hier im Forum bin möchte ich mich kurz vorstellen. Mein Name ist Stefan, Jahrgang 1989, aus dem wunderschönen Erzgebirge. Hauptberuflich Eisenbahner, der in der Freizeit gerne am Auto was macht. Aber auch so gerne bastelt. :) Zum Beispiel an einer alten Lunzenau-Hebebühne. Die habe ich recht gut erhalten von der ortsansässigen LPG übernommen und nun läuft sie wieder wie ne 1! Was ich mich dabei immer gefragt habe...

    Und im Bekannten- / Familienkreis können sich die alten Schlosser nicht mehr so erinnern.


    Wie sah der Werkstattalltag in DDR-KfZ-Werkstätten aus? Sind hier noch ein paar "alte Hasen" am Start? :)

    Mich würde das Thema brennend interessieren. Gerne würde ich darüber auch eine kleine Ausarbeitung machen. Speziell interessiert mich, mit welchen Hebebühnen gearbeitet wurde. Mein Vater sagte: Es wurde viel auf Gruben gemacht. Auf alten Fotos habe ich aber auch 2-Säulen-Bühnen gesehen! Und natürlich die bekannte Lunzenau. Meines Wissens wurden auf dem Gebiet der DDR keine 2-Säulen-Bühnen hergestellt, oder?

    Wie war es für die Schlosser, welche damals unter den Gegebenheiten gearbeitet haben?


    Über Antworten freue ich mich, wenn das Thema unpassend ist. Einfach löschen!

    Danke und euch noch einen schönen Sonntag!


    Gruß,

    Stefan

  • Dazu kann ich etwas beisteuern. Habe Anfang der 80er in einer Trabant-Vertragswerkstatt gelernt und noch bis weit über die Wende dort gearbeitet (wurde zu VAG).

    Anfänglich war das ne Hinterhof-Rumpelbude wie aus dem Bilderbuch. Es gab eine einzige (!) Lunzenauer, eine Grube (selten genutzt, weil in der vollgemüllten alten Werkstatt). Und dann war da noch eine uralte 4-Säulenbühne, überdacht mitten auf dem Hof. Die war kaputt und wurde gar nicht genutzt. Auch die Lunzenauer stand draußen, unter einem Schleppdach.

    All das mit 1 Meister, 2 Alt- und 2-3 Junggesellen sowie 1-2 Stiften (Lehrlingen).

    Das Allermeiste spielte sich also ebenerdig mit Wagenheber und Böcken ab. :(

    Erst gg. Ende der Lehrzeit gab es einen neuen Betreiber und damit einen Investitionsschub. Es kamen 4 Lunzenauer hinzu (neu oder gebraucht), die IN der Werkstatt aufgestellt wurden (mit hölzernen Überfahr-Rampen. Das war arbeitstechnisch natürlich ein Quantensprung, erleichterte die (ziemlich schwere und dreckige) Arbeit deutlich.

    Sonstige Hebezeuge blieben allerdings Fremdworte, die gut 1 Zentner schweren Motoren und alles andere wurden "gebuckelt" (was der Rücken bis heute spürbar "dankt" X/ ).


    Die alte Werkstatt wurde übrigens später zur Klempnerei umfunktioniert und dafür entmüllt. Das, was wir damals an jahrzehntelang gehorteten Schätzen dort ausgeräumt und dem Schrott überantwortet haben, wäre heute auf den Teilemärkten ein Vermögen wert gewesen... :schulterzuck:

    Die alte 4-Säulenbühne wurde zur Auffahrrampe umgebaut und diente hauptsächlich Pflegearbeiten oder auch dem 'schnellen Auspuffwechsel zwischendurch' (ging dort besser, als auf der Lunzenauer mit ihren Querholmen).


    Kurz vor der Wende wurde sogar noch ein Neubau bezogen, aber der kam den Trabanten nur noch ganz kurzzeitig zu Gute.


    Fazit: der DDR-Werkstattalltag war (wie vieles andere bekanntlich auch) von Mangel gekennzeichnet: an Ausrüstung und Werkzeug, an Ersatzteilen, an Leuten und Kapazitäten für all die vielen wartenden Kunden. Die Arbeitsbedingungen waren teilweise unterirdisch, würde sich heutzutage keiner mehr zumuten hierzulande... Obendrein war die Bezahlung ziemlich mies (was teilweise mit - damals oft üblichen - Trinkgeldern und vor allem mit der "2. Schicht" zu Hause kompensiert wurde :zwinkerer:)

    Aber es hat trotz allem unheimlich viel Spaß gemacht und es waren rückblickend meine besten und glücklichsten Arbeitsjahre. :top:

  • Wie sah es mit dem Werkzeug was genutzt wurde aus? Habe mal gehört, dass dieses teilweise selbst hergestellt wurde aufgrund des Mangels.

  • Das stimmt zumindest in Bezug auf Spezialwerkzeuge, spezielle Abzieher und Vorrichtungen.

    Normales Werkzeug gab es schon (zumeist Smalcalda) - aber eben nie im Überfluss und es wurde dementsprechend lange (ab)genutzt. Vernünftige Schraubenzieher waren z.B. oft Mangelware.

    Was es leider quasi überhaupt nicht gab, waren Schlagschrauber, druckluftbetriebene Ratschen oder kleine handliche Flexgeräte (nur große und recht schwere "Trennjäger", wie die damals genannt wurden. Damit einen z.B. sauberen Türspalt hinzubekommen war schon eine Kunst (ein Kollege konnte das mit links 8) ).

    Was es leider ebensowenig gab, war der heute so selbstverständliche Bremsenreiniger (stattdessen nur Waschbenzin).

    Wenn wir all das (und z.B. einen Werkstattkran oder Flaschenzug für die Motoren) gehabt hätten, wäre die Arbeit wohl erheblich leichter, schneller und effektiver von der Hand gegangen. :schulterzuck:

  • Hallo Fahrgast, vielen Dank für deinen sehr ausführlichen Bericht! Es ist unglaublich interessant, wenn ich das so lese und ich bin dankbar, dass du dich hier als "Zeitzeuge" zu Wort gemeldet hast. Und ich dachte, gerade die Werkstätten waren gut ausgestattet. Wenn man sich so mit den "Älteren" unterhält, wird der Mangel oft gar nicht so in den Vordergrund gestellt. Es ist schon erstaunlich, dass sich eben trotzdem so viele positiv an die Zeit erinnern! Vielen Dank "fahrgast"! Ich bin gespannt auf weitere Erfahrungsberichte! Warum nicht mal alles aufschreiben und für die Nachwelt erhalten?

  • Man muss noch dazu sagen, dass größere V.werkstätten (also z.B. genossenschaftliche PGH- oder "volkseigene" K.I.B. (Kfz-Instandseztzungs-Betriebe) zumeist besser ausgestattet waren, letztere wurden offiziell auch besser mit ET beliefert. Wobei auch hier wieder viel über "Vitamin B" (Beziehungen) lief.

    Mein damaliger Chef hat z.B. den HP 650 oder später die B1000-Pritsche saisonal kistenweise mit Obst und Gemüse (Äpfel, Kirschen, Gurken, Tomaten, Spargel) beladen, wenn er z.B. zur ELG (Einkaufs- und Liefergenossenschaft) nach MD gefahren ist. Da gab es dann schonmal einige gerade rare ET mehr. Ähnlich lief es beim Chemiehandel und bei anderen Lieferanten. ;)

  • Als ich im 2.Lehrjahr bei der Multicarabteilung war, gab's oft Fisch. Multicar von der BiFi Knau....

    Bei Multicar wurde fast alles auf Gruben gemacht. Danach war ich in der Trabant-Abteilung, da hatte jeder ne Scherenhebebühne, nur der Ladeschlosser hatte das Privileg auf ne 2-Säulen-Hebebühne. Draußen gab's 2 Auffahrrampen, die wurden oft zum Auspuffwechsel oder zum Spur einstellen genommen, Spurmaß wurde nie reingeräumt.

    Mossi hab ich im ersten Lehrjahr gemacht, bei dem ich war, da gab's nur Gruben. Glaube der Blechklempner hatte ne Scherenhebebühne.

    Am besten hab ich bei Multicar gelebt, da haben die Lehrlinge immer was von den Zugaben der Fahrzeugbesitzer abbekommen. Waren ja alles Firmenfahrzeuge... Ich kann mich nicht an einem privaten M25 erinnern, M22 schon, aber die hast du in der Werkstatt nicht mehr gesehen.

    Alles in allem eine schöne Zeit gewesen, habe 88 mit der Lehre angefangen. War ne PGH mit ca. 120 Mitgliedern und 6 Betriebsteilen.

    Wenn ich einen See seh, brauch ich kein Meer mehr. :winker:

  • In Z wurden nur die E-Karossen direkt abgeholt (zumeist mit einer, samt Fahrer bei der großen LPG Obstbau auf Kompens.geschäftsbasis ausgeliehenen, W50 -Sattelpritsche, wo gleich 2 raufpassten. Abgeladen und die Karossen später in der Werkstatt auf die Bühne oder Böcke gesetzt wurde übrigens nach dem "4 Mann- 4 Ecken-Prinzip...).


    Und ja, MD war offenbar für uns offiziell zuständig. Wenn es in P auch eine ELG gab (was sich meiner Kenntnis entzieht), dann war die wohl für die städtischen Werkstätten und evtl. das direkte (oder nördliche) Umland zuständig.

  • Möglicherweise wurde das zusammen mit dem IFA-Vertrieb gemacht, da der für die Bezirke Magdeburg/Potsdam ebenfalls in Magdeburg saß.

    Opa (wohnhaft im Kreis KW, also dem östlichsten Kreis des Bezirks P) hat seine Briefe diesbezüglich (z.B. Anfragen wann sein bestellter Pkw endlich verfügbar ist) immer nach Magdeburg geschickt.

  • In irgendeiner TV-Dokumentation war mal ein privater Werkstattchef aus Sachsen-Anhalt zu sehen, der erzählte, daß er immer diverse Bückwaren vom Lande (Spargel & Co.) aufgeladen und dann damit in Zwickau die Lagermitarbeiter bzw. das zuständige Büro bestochen hat, um etwas zu bekommen.


    Scheint auch individuell unterschiedlich gewesen zu sein. und sicher auch abhängig vom jeweiligen Charakter der Beteiligten. Der sagte in dem Interview sinngemäß: Wer da Hemmungen hatte, der bekam überhaupt nichts.

  • Siehe oben: auch unser "Alter" hat da kistenweise Obst und Gemüse hingeschafft - mal mit mehr, mal mit weniger ET-Ausbeute. Wirklich ausreichend Teile gab es in meinem Trabant-Werkstatt-Jahrzehnt jedenfalls nie, irgendwas war immer knapp oder auch gar nicht zu bekommen damals. Dann war eben das berühmte Improvisationstalent gefragt.

  • Ich war bei Nachlassauflösungen und da war der ortsansäßige IFA-Werkstattinhaber/Meister verstorben.


    Und der O-Ton seiner ehemaligen Gesellen war: "kein Wunder das wir früher in der Werkstatt nischt hatten, dass Arschloch hatte alles in seinem privaten Keller seiner riesen Villa gebunkert."


    Auch das war halt der "normale" Alltag.

  • Anhänger, die hier oben von der zuständigen Basteiwerkstatt verkauft wurden, wurden mit dem B1000 direkt unten in Dresden abgeholt.


    Die drei Nordbezirke hatten ein zentrales Lager bei Wittstock.


    Von dort aus wurde weiter verteilt.

  • Aber wenn man es nicht anderes kannte...

    Was man nicht kennt, vermisst man nicht.


    Ich kann mich noch etwas an die Werkstatt erinnern, für die meine Oma früher arbeitete. Sehr groß, sauber, riesiges Grundstück. Das Unternehmen gibt es heute noch mit VW-Autohaus und immer noch im gleichen Familienbesitz. Die kleine Tochter von damals ist jetzt die große Chefin.

  • Anhänger, die hier oben von der zuständigen Basteiwerkstatt verkauft wurden, wurden mit dem B1000 direkt unten in Dresden abgeholt.

    Cool, wenn man ein Neufahrzeug kauft, was schon 500km auf der Uhr (in dem Fall Achse, Reifen, und Bremsen) hat... =O

    Bestimmt ein geiler Job, mit der 45PS-Gurke regelmäßig die rollenden Schrankwände gegen den strammen Nordwest da hoch zu zerren.

    Ach was, hinter dem B1000 Bus rollt der Bastei doch fast im Windschatten ;) Und mehr als 80 wären im Barkas auch solo kein Vergnügen ;)


    Davon mal abgesehen ist der B1000 dank der Getriebeübersetzung ein eher sehr gutes Zugfahrzeug für große, schwere Anhänger. Wartburg, 1200er Lada & Co dürften sich mit dem Bastei wesentlich schwerer tun.


    Richtig ätzend soll beim B1000 allerdings ein Wohnmobilaufbau mit Alkoven über dem Fahrerhaus gewesen sein.

    Früher fuhr ich 6V, weil ich musste. Heute tu ichs, weil ich kann.

    Einmal editiert, zuletzt von Fridl ()

  • Die Dreisachser mit Plateau sind auch keine Sprinter....

  • Sehr interessant! Danke für die vielen Beiträge. Soweit ich recherchiert habe, gab es Zweisäulen-Hebebühnen aus Ungarn. Von der AFV aus Sopron. Die müssen wohl später (oder noch) mit IME Autolift kooperiert haben...


    Ich kann nur erahnen wie schwer es war, an solche Bühnen zu kommen. Wie verwöhnt man dich heutzutage ist, wo es einfach alles gibt.


    Wobei mir meine Lunzenauer jetzt schon oft wichtige Dienste geleistet hat.