Durfte man in der DDR Musik aus dem Westen hören

  • Hallo,


    ich hatte letztens ein Gespräch mit einem Mann der meinte in der DDR auf gewachsen zu sein. Er erzählte das man im Osten Musik aus dem Westen hören durfte. Ich hab das aus dem Fillm "Friendship" anderst in Erinnerung. Im Internet waren gespaltene Meinungen. Da ja sicher viele von euch in der DDR auf gewachsen sind dachte ich, ich frage euch.


    MFG

  • Warum nicht,ich habe viel Musik gehört, auch aus dem westen :D

  • Ist die Frage wirklich ernst gemeint???

    Naja, unter Ulbricht gabs doch ne Kampagne gegen Beatmusik als "kapitalistische Verfallserscheinung", oder nicht? Wenn man offensiv kundgetan hat, dass man Anhänger und Hörer ausschließlich westlicher Musik war, hat man sich sicherlich nicht direkt in Schwierigkeiten gebracht, so ganz förderlich für die Karriere wirds wohl aber auch nicht gewesen sein?


    Ich denke, da muss man verschiedene Zeitabschnitte der DDR gesondert betrachten.


    Meine Eltern haben im Übrigen gehört was sie wollten. Und hatten das Glück, nahe der Grenze leben zu dürfen.

    Hybrid Synergy Drive - Die Zukunft atmet auf

  • Erlaubt bzw. nicht liniengetreu ist ein Unterschied. Ein FDJ Sekretär hat gefälligst kein Westfernsehen zu kucken, was der aber schlussendlich gemacht hat.....und oder ob das nun Konsequenzen hatte...
    Mein Opa mütterlicherseits hatte aus Überzeugung das rote Parteibuch in der Hemdtasche und hat DDR 1 und 2 in Farbe gekuckt, mein Opa väterlicherseits ZDF in schwarz weiß.

  • ARD und ZDF gabs auch...

    ... außer in einigen Tälern der Ahnungslosen, aus welchen übrigens der Legende nach die meisten Ausreiseanträge gestellt worden sein sollen.


    Abgesehen von der Frage nach der Ernsthaftigkeit der Frage ;) stellt sich die Frage, wie "Musik aus dem Westen" definiert ist. Schließlich wurde auch im Rundfunk der DDR bis zu 40% Westmusik gespielt, ganz so verboten wird es demzufolge nicht gewesen sein.


    Alles Andere ist sehr differenziert zu betrachten. Vor allem unter Ulbrichts Zeiten gab es diesbezüglich wohl mehrere Richtungswechsel. Von der Offenheit beim Deutschlandtreffen '64 bis hin zur einschlägig bekannten "Yeah, Yeah, Yeah..."-Rede. Da ich unter Ulbricht selbst noch in die Windeln schiss, kenne ich das ganze G'schiss aber auch nur aus der Überlieferung.


    Definitiv war es aber unerwünscht bis verboten (auch wieder differenziert), direkt westliche Massenmedien zu "konsumieren". Z.B. war die Einfuhr diverser Druckerzeugnisse verboten, bei der NVA war es verboten, westlichen Rundfunk zu empfangen. Die Bandbreite reicht von Sch...-egal über "du, du, du..." mit dem erhobenen Zeigefinger bis hin zu ernsthaften Sanktionen.


    Hoffe das reicht für ein grobes Gesamtbild.


    Gruß Steffen


    PS: Fahrfusshebel: ... und der findige DDR-Bastler hat den "Stassfurt Color 21" mit einem selbsgebauten PAL-Decoder ausgestattet, und so auch ARD, ZDF und N3/SFB3 mehr oder weniger schlecht in Farbe geschaut ;)


    PPS: Eine Anekdote aus meiner eigenen Jugend habe ich noch: Im Wehrerziehungslager am Ende der 9. Klasse gab es 1x pro Woche eine Polit-Stunde, an der aus jeder Gruppe ein "freiwillig Bestimmter" "Agitator" teilzunehmen hatte, um dann die "Informationen" in die Gruppe weiterzutragen. Für diesen Job musste wie üblich ich herhalten. Nachdem der Polit-Offizier eine Stunde lang das übliche blabla abgelassen hatte, Schloss er seine Ausführungen mit : "So, bitte vertraulich behandeln, von mir kommt das nicht: Hier noch die aktuellen Ergebnisse der Fußball-Bundesliga". Wonach er selbige leise verlas. Blöderweise interessiere ich mich überhaupt nicht für Fußball, habe aber versucht, alles so gut es geht mitzukritzeln. Konnte es nur hinterher selbst nicht mehr lesen. Den Jungs aus meiner Gruppe war das egal, sie konnten es entziffern.

    Früher fuhr ich 6V, weil ich musste. Heute tu ichs, weil ich kann.

    2 Mal editiert, zuletzt von Fridl () aus folgendem Grund: Antwort auf neuen Beitrag

  • Man durfte. Es gab sogar einige Musik, die unter Lizenz in der DDR verkauft wurde. Soweit ich weiß, war es aber verboten, andere als die "erlaubte" Musik über die Grenze zu bringen.


    Hören durfte man alles, auch wenn es nicht gern gesehen war. Man mußte es gegebenenfalls "begründen". Soldaten und anderen Staatsbediensteten konnte die "Begründung" die Karriere kosten.


    Spielen war eine andere Sache. Wer hörbar gespielt hat, was in der DDR nicht freigegeben war, hatte womöglich ein Problem.
    Ich kenne einen, den sie von der Uni geschmissen haben, weil er als DJ Musik vom RIAS spielte.

    Wo sind die Trabifrauen?


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    Einmal editiert, zuletzt von Schrauberin ()

  • In der DDR wurde Westmusik sogar auf Schallplatten gepreßt...
    Es gab die 60:40-Regel für Tanzveranstaltungen: 60% Ost, 40% Westmusik.
    Im Radio lief neben Ost- auch Westmusik - nicht zuletzt beim Sender DT64.
    Im Fernsehen traten z.B. im Kessel Buntes auch Westkünstler auf und sangen dort ihre "Westmusik".


    Und vor eben diesem Hintergrund fragte ich, ob die Frage überhaupt ernst gemeint sei...


    Ennatz hat ebenfalls einen wichtigen Aspekt eingebracht:
    "DIE" DDR gab's nicht - die DDR gab es in unterschiedlichen Epochen - mal mehr, mal weniger offen. Mal Tauwetter, mal die Folgen des 11. Plenums. Mal Aufbruch, mal Biermann-Ausbürgerung. Mal den Stalinismus der 50er Jahre, mal die Hoffnungen der frühen Ära Honecker und der KSZE-Schlußakte von Helsinki.
    Das ist ein sehr, sehr weites Feld...


    Aber die Frage, ob Westmusik in der DDR erlaubt war, die stellt sich eigentlich nicht so wirklich. ;)

  • Geht mit der Theorie vom Übergang der DDR vom Totalitarismus zum Autoritarismus und der Herausbildung einer Art Biedermeier konform.


    Wobei ich auch noch eine andere Differenzierung aufziehen würde, nicht nur jene über das Epochale, sondern auch über das Territoriale, sprich: Ich würde behaupten, in der Provinz hatte man weniger Repressalien zu befürchten als im demokratischen Berlin oder Leipzig. Damit meine ich vor allem eine effektivere staatliche Überwachung.


    Andererseits wurde man in den Ballungsgebieten durch regeren Fremdverkehr und (gerade in Leipzig und in Berlin zumindest zu bestimmten Jahreszeiten) internationales Flair auch eher dazu verführt, könnte ich mir vorstellen. Und durch das, was auch heutzutage noch verstärkter gilt: In Großstädten ist mehr Jugend anzutreffen.

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  • Schorschi, stell Dir mal vor, es kamen sogar "Westmusiker" zu uns in die DDR und die haben nicht ohne Publikum oder vor "Westbürger", die zu uns vielleicht kamen, weil es billiger war, gespielt



    Und auf Jugendradio DT64 gab es Radiosendungen nur mit bekannten Größen des ROCK/POP/METAL extra zum mitschneiden auf Kassette/Tonband



    so ne dusslige Frage

    Denke nie gedacht zu haben, denn das Denken der Gedanken ist gedankenloses Denken

  • Wir durften sogar Westradio und Westfernsehen in der Schule hören und sehen im Staatsbürgerkundeuntericht. Unser Direktor hatte damals sogar ein vertrauliches Gespräch mit meinen Vater, der zu DDR-Zeiten bei uns im Ort ein gefragter Radio und Fernseh Elektroniker war, ob er nicht die nicht Westfernseh tauglichen Schulfernseher umbauen kann.


    In der DDR musste zu vielen der Schein gewart werden, hinter den Kulissen war es aber immer anderst als man denkt.


    Vor der Schuldisco wurden die Bänder z.b. Probegehört, ob sie gespielt werden dürfen, nur wärend der Veranstaltung kamen diese Bänder garnicht in den Kassettenspieler.

  • Der deutsche Staat, der das Abhören von "Feindsendern" mit drakonischen Strafen bedroht hat, ist am 8. Mai 1945 gottseidank untergegangen. An jedem Radio hing ab 1.9.1939 beim Verkauf ein Pappkärtchen mit entsprechenden Hinweisen. Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/…he_Rundfunkma%C3%9Fnahmen, Da gab es auch z.B. für den Musiker Peter Igelhoff ab 1942 ein Auftrittsverbot, weil der zu amerikanisch swingte. Das "Hörverbot" gab es in der DDR nicht, wohl aber Repressalien für regimekritische Musiker, berühmtester Vertreter ist Wolf Biermann. Ein schönes Beispiel für Westmusik im DDR- Fernsehen ist die Polizeiruffolge "Holzwege" von 1978, in der passenderweise der Titel "money, money, money" von Abba erklingt.

    Fahr' lieber mit der Bundesbahn!

    3 Mal editiert, zuletzt von Marlene ()

  • Udo Lindenberg kamm ja aus dem Westen. Die im Osten hat dem seine Musik gehört. Fällt mir gerade ein.

  • Ich zittere mal Zitat:


    „Wir verzichten nicht auf Jazz, Beat, Folklore, nur weil die imperialistische Massenkultur sie zur Manipulierung der ästhetischen Urteilsfähigkeit im Interesse der Profitmaximierung mißbraucht.“


    Mit der Bemerkung, dass „bei uns jeder nach Belieben“ die westlichen Medien ein- und ausschalten könne, stellte Honecker 1973 den Kampf gegen den Empfang westdeutscher Radio- und TV-Sender in der DDR ebenso ein wie die Vorbehalte gegen lange Haare, kurze Röcke und Blue Jeans, die „Niethosen“, die man vordem als Symbol westlicher Dekadenz gegeißelt hatte.


    Wenn kann man sagen das es ab/unter Honecker egal war was man angeschaut oder gehört hat.

  • Na ja, den Generalsekretär zum Beleg von Fakten zu zitieren ist nicht unbedingt wissenschaftlich ("Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten") :lach:


    Viele Aspekte wurden bereits angesprochen. Besonders entscheidend bei dieser Frage ist, wie mehrmals erwähnt, die unterschiedliche Strenge von Konsequenzen in den unterschiedlichen Epochen. Von mir nur ein paar Ergänzungen:


    ... außer in einigen Tälern der Ahnungslosen, aus welchen übrigens der Legende nach die meisten Ausreiseanträge gestellt worden sein sollen.

    Keine Legende. Auch wenn Ost- und Westquellen zahlenmäßig leicht differieren, gab es im Bezirk Dresden absolut und prozentual zur Einwohnerzahl die meisten Ausreiseanträge.



    ... und der findige DDR-Bastler hat den "Stassfurt Color 21" mit einem selbsgebauten PAL-Decoder ausgestattet, und so auch ARD, ZDF und N3/SFB3 mehr oder weniger schlecht in Farbe geschaut

    Ab 1978 wurden in Staßfurt offiziell Geräte mit SECAM und PAL hergestellt. Auch der - zugegeben selten vorkommende - handwerklich unbedarfte DDR-Bürger konnte West-TV in bunt sehen.



    In der DDR wurde Westmusik sogar auf Schallplatten gepreßt...

    Richtig. Aber eben nur politisch-gesellschaftlich völlig irrelevante Wrstmusik. Mir ist z.B. keine Amiga-Punk-Platte bekannt :)



    Udo Lindenberg kamm ja aus dem Westen. Die im Osten hat dem seine Musik gehört.

    Dazu ein nettes persönliches Erlebnis meiner späten Jugend: Einer meiner vielen Ost-Cousins (der, der mir meinen ersten Trabi geschenkt hatte) war Ptonierhausleiter in Strausberg. Für die jungen Leute aus anderen Gegenden: Strausberg war Sitz des Verteidigungsministeriums und Garnisonsstadt mit eigenem abgesperrten "Generalsviertel". Von eben dort kamen auch viele Jugendliche zur Pionierhaus-Disco. Da konnte der "Sonderzuh nach Pankow" natürlich nicht gespielt werden, was mein Cousin elegant umschiffte, indem er das instrumentale Original "Chattanooga Choo Choo" auflegte und die Menge Udos Text mitgröhlte. (Die 60/40-Regel galt hier natürlich auch.)



    in der Provinz hatte man weniger Repressalien zu befürchten als im demokratischen Berlin oder Leipzig.

    Ich denke, die Repressalien waren weniger orts- als vielmehr von der "gesellschaftlichen Relevanz" (Beruf) der jeweiligen Person und deren sozialer Umgebung abhängig.

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    2 Mal editiert, zuletzt von MichiU ()

  • Ach... (deshalb hab ich ja auch "Generalsekretär" und nicht "Honecker" geschrieben...)


    ... und ein Smilie ist übrigens auch noch dahinter...

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    Einmal editiert, zuletzt von MichiU ()