Genietete Bremsbeläge

  • Nach Durchsicht des Materialbestandes habe ich heute mal die Simplex-Backen aus dem Lager gezogen.


    Teil 1:
    4 Stück auf Simplex umgefrickelte Duplexbacken (abgeschnittene Nasen, ausgeflexte Führungslöcher für Nachsteller) mit geklebten Belägen, die ich nicht so gern einbauen möchte. Auch nicht mit neuen Belägen. Weil sie eben umgefrickelt sind.


    Aber dann fand sich neben einigen einzelnen Simplexbacken mit Klebebelag - leider nicht als Komplettsatz - noch folgendes:


    3x Bremsbelag zum Nieten 5mm dick
    4x Bremsbelag zum Nieten 4mm dick
    2 Tütchen dazugehörige Nieten



    Und schließlich 6 Stück nagelneue Backen mit genieteten Belägen, davon zwei mit Handbremsseil-Befestigung.



    Frage 1:
    Kann man sowas wirklich noch ruhigen Gewissens einbauen, nachdem es mindestens 30-40 Jahre im Regal lag?


    Frage 2:
    Hat das schon jemand gemacht und was sagt die Bremsleistung?


    Frage 3:
    Ist das originaler Cosid-Belag?


    Weil...eigentlich wollte ich ja einen Satz Backen bei der Limbacher Bremsbelag GmbH neu belegen lassen - mit dem etwas weicheren Oldtimerbelag, der zwar schneller verschleißt, aber besser bremst. Vielleicht ist das genietete Material ja auch eher etwas für die Vitrine...?

  • Also erstmal mag man erstaunt sein, aber (ich rede jetzt vom Westen, denn da komme ich halt her) es war früher absolut üblich, Bremsbeläge aufzunieten. Ich hab 1982 meine Lehre begonnen und hab das so noch beigebracht bekommen. Im Laufe der 80er gabs dann irgendwann nurnoch geklebte zu kaufen, was erstmal ein großes Ärgernis war. Die Kosten explodierten damit förmlich, Beläge und ein Tütchen Nieten waren halt deutlich günstiger als komplette Backen.


    Wie auch immer, ob du deine Beläge (und Backen) noch verwenden kannst, hängt also weniger davon ab ob die genietet oder geklebt sind, sondern vielmehr wie die gelagert wurden.
    Jetzt frag mich nicht, wie man Bremsbacken richtig lagert, aber 20 Jahre im Ölbad versenken ist mit Sicherheit falsch ;)


    Ich hätte keine Bedenken, einbauen, kurz Zeit zum Einbremsen geben und dann entweder freuen oder raus damit.


    Falls du mal in die Verlegenheit kommen solltest, neue Beläge aufnieten zu müssen, auch das ist erstaunlich einfach und man braucht nichtmal Spezialwerkzeug. Neben Belag und Nieten nur nen Schraubstock, Hammer, Stemmeisen, Durchschlag und Körner...


    Zu deinen Anderen Fragen kann ich allerdings nichts sagen.


    Chrom

  • Kannst du eigentlich bedenkenlos verwenden wenn sie trocken sind. Zur Probe kannst du die Nietstellen zwischen zwei Finger nehmen und schauen ob die Niete auch fest sind.
    Ich kenne solche Backen vom Polo 86c, da kam sowas auch noch zum Einsatz und es war absolut nicht feststellbar, dass es einen Unterschied zu geklebten Backen gibt.
    Ich persönlich hätte zu der Nietverbindung sogar mehr Vertrauen als zu einer geklebten Variante.


    Aber nen Hammer beim aufnieten? Ich kenne das nur mit Nietzange bzw durch reines Verpressen. Beim Niete schlagen bricht doch der Belag?
    Oder soll der Hammer für was anderes sein?
    Aber mit nem Schraubstock und einem passenden Stößel ist es gut machbar.


    Wenn du die Backen nicht verwenden willst, kannst du sie ja mir geben :top: und die Backen zum aufnieten gleich dazu :grinser:

  • So ein fertig genieteten Satz hab ich auch noch daliegen, hab mir immer eingebildet die wären beim P50 üblig gewesen, deshalb heb ich Sie mir noch fürn P50 auf ^^


    Zitat

    Frage 3:
    Ist das originaler Cosid-Belag?


    Waren die nich aus Asbest???


    kann mich auch täuschen...deshalb die Fragezeichen

  • Asbest stört mich relativ wenig...


    Also - die Beläge sind absolut sauber und trocken, die wurden sicher stets vernünftig gelagert. Die letzten 10 Jahre sicher schon bei mir.


    Also werd ich mal gelegentlich noch zwei Backen damit belegen - dann ist der Satz komplett. Interessanter ist dabei aber wohl mehr, wie man den alten geklebten Belag vorher 'runterbekommt.

  • Die geklebten Beläge sind relativ brüchig. Hebel mal eine kleine Ecke mit nem Schlitzschraubenzieher an, dann siehst du was ich meine.
    Ich würde die Backe einspannen und mit nem Flachmeißel und Hammer runterholen, die Reste etwas glattschleifen bis der Kleber weg ist. Dann Grundierung rauf und dünn Lack und danach die Beläge aufnieten.

  • Dann mal wie ich das gelernt hab:


    Erstmal spannt man die Backe mit dem alten Belag in den Schraubstock ein und schlägt den mit Stemmeisen und Hammer ab.
    Dann schauen ob die Auflagefläche für den neuen Belag schön glatt ist, evtl nacharbeiten.
    Neuen Belag auf Passgenauigkeit prüfen (Breite, Rundung, Löcher) - einfach drauflegen und schauen.
    Nen Durchschlag der in etwa so dick ist wie der Nietkopf so in den Schraubstock einspannen, das er idealerweise unten aufsteht und weiter oben von den Spannbacken gehalten wird. Hat man keinen passenden Durchschlag, tuts zur Not auch ne passende Schraube.
    Belag auf die Backe legen, einen Niet einsetzen, auf den Durchschlag Balancieren (das geht in der Praxis besser als in der Vorstellung, also so das der Kopf vom Niet nach unten zeigt und auf dem Durchschlag aufliegt), der Niet ist ja hohl, den Körner in den Schaft stecken und mit gefühlvollen Schlägen etwas weiten. Ist der Körner auf dem Durchschlag angekommen, den gestauchten Niet noch etwas mit dem Hammer nacharbeiten bis er fest sitzt. Viel hilft hier NICHT viel, also nicht versuchen den Niet plan zu kloppen.
    Immer schön von der Mitte nach außen arbeiten und alle Nieten anbringen - fertig.


    Dauert mit etwas Übung in etwa so lange, wie ich jetzt zum tippen gebraucht hab ;)


    Chrom


    Edit: Ach ja, der Vollständigkeit halber, bevor was schief läuft: Die Nieten werden von der Belagseite aus eingesetzt, der Kopf liegt also in den Löchern des Belages, sonst wird das nix

    Einmal editiert, zuletzt von Chrom ()

  • Hab sogar unlängst in ' nem älteren DDS (1967 glaub ich) eine Stellungnahme von Sachsenring gelesen, daß man bei Simplexbremse idealerweise immer genietete Beläge verwenden solle, weil wohl die alten Bremsanlagen es nicht sonderlich gut verkraften, wenn man die geklebten Beläge tatsächlich bis zur Mindestbelagstärke abfährt. Evtl. könne sich da wohl die Handbremsmechanik verklemmen. So stand's sinngemäß in dem Artikel...


    Gut, man kann auch einfach die geklebten Beläge nicht ganz so weit abfahren, aber es paßte halt irgendwie hier mit rein...
    Und wenn, wie hier bei Deinen Bremsbacken Deluxe, die Niete noch nicht mal Rost angesetzt haben, kann man die denk ich mal ruhig verbauen. Sind dann wohl sehr ordentlich gelagert worden.

    sapere aude! incipe! (Horaz)
    (bzw. frei nach F. v. Schiller: "Erdreiste Dich zu denken!")

  • Schließ mich da mal dem letzten Abschnitt vom Gunnar glattweg an... :top: Zur Bremswirkung kann ich nach eigener Erfahrung keinen Unterschied feststellen - hatte bis vor 2 Jahren noch die alten DDR-Beläge drin und hab danach die "etwas röteren" vom Siggi aus Groß B. eingebaut (geklebte).




    Ein Volk, das den Wohlstand höher schätzt als die Freiheit, wird am Ende beides verlieren - zuerst den Wohlstand und dann auch die Freiheit
    (Olov Palme)

  • Wenn Bremsbelag trocken und weit weg von Öldämpfen eingelagert wurde, könnte man sogar noch Vorkriegsbelag, wenn man denn welchen hätte, verwenden. Das Aufkleben der Beläge wurde unter Anderem deswegen gemacht, weil das einfach schneller ging. Übrigens habe ich für Polo 86 C und Golf II noch vor 2 Jahren (!) Beläge zum Aufnieten gekauft und verarbeitet.


    Noch ein Wort zu den Backen:


    Es gibt auch bei den Simplexbacken verschiedene Ausführungen. Die vom P 60/ P 601 passen in den P 50, aber nicht umgekehrt. P 50 hat nur ein Langloch für den Versteller und P 60/ 601 hat zwei kleinere. das hängt mit den Verstellern zusammen. Übrigens wurden die Backen, welche aussehen, wie abgeschnittene Duplexbacken im Ersatzteilvertrieb Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre angeboten. Das weiß ich ziemlich genau, da ich 1980 meinen 601 Kombi gekauft hatte und die Dinger waren sogar ohne Altabgabe zu bekommen, nur die Duplexbacken nicht.


    Gruß Jürgen

  • 86C und Golf 2?
    Selbst mein 97er Astra hatte hinten original noch genietete Beläge, bis der TÜV neulich nach 200.000km.....
    Im 500er hab ich die auch montiert, es bremst halt und das garnichtmal schlecht.
    Aktuelle Belagsorten haben das Problem, daß sie hart werden und die Bremskraft nachläßt.

  • Jetzt bin ich auch gerade dabei. Beläge hab ich, Träger auch, nur Niete finde ich keine und ich suche jetzt schon gefühlt ewig.....

    Im Buch steht: 4x0,25x6 Hohlniet TGL 0-7339 (was wohl heute noch DIN 7339 ist)


    Bisher fand ich nur das:

    https://eshop.wuerth.de/Hohlni…0924514206.sku/de/DE/EUR/

    wäre eine andere Materialstärke...0,4 statt 0,25.


    Hat jemand noch solche Niete aus TGL Zeiten oder kennt eine Bezugsquelle?

  • Ich bilde mir ein, dass Detlef Kunze in Zwickau letztens welche daliegen hatte und sich auch mit einen Besucher darüber unterhalten hat. Sicher bin ich mir aber nicht mehr...:schulterzuck:

  • Im Katalog nicht. Geh aber von Stahl vernickelt aus, so zumindest sieht es auf den gebrauchten Backen aus.

    Vielleicht kann Deli noch sagen wie die, die er dabei hatte und verarbeitet hat beschaffen waren. Ich gehe aber davon aus, das es auch Stahl und vernickelt war. Blanker Stahl dürfte wegen möglicher Korrosion kaum in Frage kommen.


    Benötigt werden für einen Satz (8 Backen VA/HA) 64 Niete. Ich würde min. 100 nehmen. Oder auch 200 oder 500 wenns wegen der Abnahmemenge not tut.

  • Bei meiner DKW hatte ich Kupfernieten (hohl).

    Das ist aber auch ne ganz andere Größe an Bremse...


    Das wäre mir für den Trabant zu weich.

    Neapel sehen und sterben-Tour 2012
    Ich war dabei!


    50 Jahre Trabant 601
    Die Jubiläumstour 2014
    Ich war auch dabei!
    :raser:


  • Ich vermute, dass die Zellenschattierung darauf hinweisen soll, dass es die gesuchte Grösse nur in Messing geben soll.


    Frage mal da:

    http://www.aeichler.de/oesen.html

    der hat was in der Liste (Pos. 21).


    Und sonst müsste man sich fragen, welche Auswirkung eine höhere Niet-Wandstärke hat. Mir fällt spontan nur die um 0.15 mm verringerte nutzbare Belagsdicke ein.