Lenkrad schwitzt?

  • und das schöne daran ist: beim Wartburg siehts genauso aus..... :traurig:

  • Als ich neulich im Lager war, hat mich auch der Schlag getroffen. Ich habe ein "neues" PUR Lenkrad und ein "altes" aufeinander liegen. Das scharze PUR-Lenkrad ist vom Schimmel dick überzogen (sieht weitaus schlimmer aus als das von Danny), das "alte" fängt nun auch schon an. Ich habe mir derzeit noch keine Gedanken um die Entsorgung gemacht. Sollte ich mal tun ?!? :tkopf:

    Fährst Du noch oder schraubst Du schon?

  • Schimmel? :hä:


    Also das was man auf den Photos sieht ist eher auskristallisiertes Monomer, also wahrscheinlich die Therephtalsäure. Oder hast du schon mal einen Schimmel gesehen der aus kleinen weißen / farblosen Nadeln besteht?


    Und wegschmeißen brauchst du das PUR-Lenkrad auf keinen Fall. Das Zeug sollte sich in warmem Wasser wunderbar lösen.
    Das alte Lenkrad sollte man auch nicht wegwerfen. Um den Eisenkern kann man später vielleicht wieder ein neues spritzen.


    :winker:

    summ, summ, summ, mein Trabi summt herum :raser:

  • Zitat

    Original von SUMM
    Schimmel? :hä:


    Also ich habe mir das Ganze nicht so genau angesehen. Sah bei mir von weitem so aus. Werde noch mal genau schauen...


    Zitat


    Und wegschmeißen brauchst du das PUR-Lenkrad auf keinen Fall. Das Zeug sollte sich in warmem Wasser wunderbar lösen.
    Das alte Lenkrad sollte man auch nicht wegwerfen. Um den Eisenkern kann man später vielleicht wieder ein neues spritzen.


    Genau das ist mein Problem: Ich schmeisse NIE was weg :top:



    :winker:

    Fährst Du noch oder schraubst Du schon?

  • Zitat

    Original von heckman
    Ich würde 20,- veranschlagen.


    Pur-LR? bähh... :grinser: :zwinkerer:
    das alte LR wirst du lieben lernen :zwinkerer:


    ok, hecki :ser: wir kommen ins Geschäft :grinser:



    Ein PUR-Lenkrad was ich noch liegen habe zeigt wahrscheinlich die gleichen Symptome wie das von Wilfred.
    Sieht wirklich nach Schimmel aus - habs gereinigt und erstmal an einen absolut staubtrockenen Ort gelegt.


    P.S: Tausche PUR-Lenkrad gegen originales schwarzes 2-Speichen LR :lach:

  • Schimmel am PUR-Lenkrad ist durchaus möglich und gar nicht so selten. Der Schimmelpilz findet jede Menge Nahrung auf dem Lenkrad - und zwar in Form von Handschweißresten, Fingerschmutz usw. Dazu genügen geringste Mengen und klimatisch einigermaßen "günstige" Bedingungen. Nicht nur im Teilelager, auch im Fahrzeug schimmeln Lenkräder gerne bei längerer Nichtbenutzung. Nicht nur beim Trabant, auch bei allen anderen.


    Abhilfe schafft nur, die Lenkräder in die regelmäßige Fahrzeugreinigung mit einzubeziehen und sie immer mit abzuwischen. Und regelmäßiges Händewaschen... :grinser:

  • also ich habe das mit dieser ölerei schon früher mal irgendwo gelesen und mir sofort, bevor mich diese schweinerei auch ereilt, mir ein pur-lenkrad eingebaut - ich schlafe jetzt ruhiger :schnarchnase:

  • PUR ist aber bei älteren Baujahren nicht original (ausserdem nicht mein Geschmack, aber das tut nichts zur Sache :grinser:)

  • da habe ich aber glück, daß meiner baujahr 89 ist :zwinkerer:

  • Zitat

    Original von heckman
    Was aber trotzdem nicht heißt, daß dort unbedingt ein Pur-LR reingehört.... :zungeaus:


    Da bringste mich jetzt aber auf´ne Idee. Wenn der Schimmel abgeht... :grinsi:

    Fährst Du noch oder schraubst Du schon?

  • Da ich etwas weiter recherchiert habe, möchte ich diesen thread wieder hoch holen.


    Nachdem ich Kontakt mit Mitarbeitern des (ehemaligen) Herstellerwerks aufgenommen hab, haben sich einige neue Erkenntnisse herausgestellt und anderes hat sich bestätigt.


    Zuallererst: es gab nie Lenkräder aus Bakelit für den Trabant.
    Die weiß-grauen und die kurzeitig produzierten schwarzen (etwa bis 68 produziert) bestehen wohl aus Polyamid (http://de.wikipedia.org/wiki/Polyamid).
    Die späteren Schwarzen bestehen aus einem anderen Thermoplast.
    Dieser wurde übrigens um ein Metallgestell, den sog. Grundkörper, gespritzt.
    Bei dem späteren Kunststoff handelt es sich aber nicht um PET sondern um Celluloseacetat (CA), auch hin und wieder als „Sachsetat“ bezeichnet.


    Cellulose ist jedem bekannt (http://de.wikipedia.org/wiki/Cellulose). Es ist ein lineares Polysacharid, aufgebaut aus bis zu mehren tausend Glucoseeinheiten.
    Diese Zuckereinheiten haben mehrer OH-Gruppen welche beim Celluloseacetat mit Essigsäure verestert sind (http://de.wikipedia.org/wiki/Celluloseacetat). Darin liegt auch wieder das Problem. Unter bestimmten Einflüssen, wie Temperatur, Licht, Basen und vor allem Feuchtigkeit und Säuren, kann diese Verbindung gespalten werden und es entsteht Essigsäure. Die Essigsäure kann dann weitere Ester spalten. Das bedeutet dieser Prozess ist autokatalytisch. Weiterhin ist es dadurch möglich, dass die Celluloseketten langsam in kürzere Polysacharide bis sogar zur Glucose gespalten werden.
    Dieser Prozess lässt sich, einmal in Gang gesetzt, nicht mehr aufhalten. Auch das Einbringen einer Base wird nichts bringen, da die Esterspaltung auch basenkatalysiert abläuft.
    Durch den Abbau entstehen also zuerst Spannungen im Material, danach läuft einem langsam ein Gemisch aus Essigsäure und verschiedenen Polysachariden aus dem Lenkrad. Diese kristallisieren dann mit der Zeit sogar am Lenkrad aus.
    Allerdings braucht sich keiner Sorgen um seine Gesundheit zu machen, mal abgesehen von vielleicht beigemischten Additiven, sind die Zerfallsprodukte absolut harmlos. Celluloseacetat wird unter anderem auch für Arzneikapseln verwendet.


    Die Tatsache der Zersetzung war auch schon im Werk bekannt und wurde in Kauf genommen. Man hat wohl nicht damit gerechnet, dass die Lenkräder nach 30 Jahren noch im Einsatz sind.
    Einen Einfluss der Grundkörper lässt sich auch weitestgehend ausschließen. Hierzu wurden schon im Werk Versuche mit verschieden behandelten bzw. veredelten Grundkörpern gemacht. Nach einiger Zeit in der Klimakammer traten bei allen die bekannten Zerfallserscheinungen auf.
    Weiterhin wurden Versuche mit dem so genannten „tropenfesten Kunststoff“ Cellulose-Aceto-Butyrat (CAB) unternommen. Ob dieser Kunststoff in den Trabant Lenkrädern zum Einsatz kam ließ sich nicht genau ergründen.


    Ob ein Lackieren oder luftdichtes Beschichten der noch intakten Lenkräder etwas bringt ist fragwürdig, da der Prozess von „innen heraus“ erfolgt.


    Dieses Phänomen ist im Übrigen nicht nur auf die DDR begrenzt. Die langsame Zersetzung des Kunststoffs gibt’s es überall. So sind z.B. auch alte Legosteine, Tonbänder und Filme aus diesem Material betroffen. Durch die freiwerdende Essigsäure hat sich hierzu der Begriff des „Vinegar Syndrome“ eingeprägt. In diesem Zusammenhang gibt es auch Empfehlungen zur Lagerung solcher Kunstoffe (http://en.wikipedia.org/wiki/Cellulose_acetate_film). Wer Produkte aus solchem Kunststoff lange erhalten möchte, sollte diese also kühl und trocken lagern.


    Ein weiterer Punkt wäre gewesen, die Lenkräder mit vorhandenen Grundkörpern und modernem Kunststoff neu fertigen zu lassen. Dazu hätte man lediglich den alten Kunststoff erst mechanisch/thermisch und dann chemisch entfernen brauchen. Aber das geht NICHT! Die dazu nötigen Formen sind im Herstellerwerk leider nicht mehr vorhanden. Die Anfertigung neuer Formen dürfte den Preis in astronomische Höhen treiben. Fraglich ist natürlich auch, inwieweit die Grundkörper unter dem Einfluss der Essigsäure „überlebt“ haben.


    Wer kann und möchte, sollte von einem guten Lenkrad vielleicht einen Abdruck erstellen. Daraus könnte man dann ggf. in ein paar Jahren wieder eine Form anfertigen.

    summ, summ, summ, mein Trabi summt herum :raser:

    Einmal editiert, zuletzt von SUMM ()

  • Super Recherche. :top:
    Dann hole ich mal das alte Lenkrad aus dem Labor wieder ab. Weitere Analyse erübrigt sich.

  • Gute Arbeit! :top::top::top:


    Aber bitter ist es irgendwie schon, daß es keine andere Erhaltungsmöglichkeit gibt als Hoffen und Bangen... :heuli2:


    Um die frühen Lenkräder in weiß und schwarz (glatte Speiche) müssen wir uns aber wie es scheint keine Sorgen machen.


    Irgendwie bin ich gerade froh, nur ein Fahrzeugmit gefährdetem (aber bisher trockenem) Lenkrad zu haben. Die anderen sind entweder älter oder haben schon PUR.

  • Ein hier lagerndes Lenkrad hat folgende Einprägungen:
    VEB Polyplast Auma
    EVP 24,30 M
    Sach Nr. 03 00620 002
    II/89
    Rest kann ergoogelt werden, z.B. Triptiser Straße 35 D- 07955 Auma

    Bei gleicher Umgebung lebt doch jeder in einer anderen Welt!


    Artur Schopenhauer

  • Klaus PELF, Deluxe, icke WES


    Danke für die positive Resonanz!


    WW-Trabi


    Danke für die Infos. Du dürftest aber nicht das einzige Lenkrad haben, auf welchem diese Informationen eingeprägt sind.


    @all


    Zurück zum Thema:
    Die Daten des Herstellers befinden sich vorne in der Nabe, das Produktionsdatum befindet auf der Rückseite der Speiche (zumindest bei „neueren“ Lenkrädern).
    Ähnliches befindet sich auf der Rückseite der Plasteabdeckung (Sachsenring „S“), welche auf die Nabe gesetzt wird. Dort befindet sich neben dem EVP auch die Bezeichnung des Herstellers.
    Weiterhin wurden im Betrieb nicht nur Lenkräder hergestellt, sondern auch viele andere Plasteteile, die ebensolche Bezeichnungen tragen.
    So muss man leider sagen, dass viele Trabantfahrer die nötigen Informationen seit Jahren spazieren fahren. Deshalb wundert es mich, dass Niemand früher diese Infos gepostet hat.


    Die heutige Polyplast GmbH stellt nur einen Teil des vormaligen VEB Polyplast dar. Die Lenkräder wurden in einem anderen Betriebsteil hergestellt, welcher heute unter dem Namen Tessa Osalit GmbH firmiert. Beide Firmen haben ihren Sitz in Auma.


    Allerdings möchte ich (nochmals) darauf hinweisen, dass Anfragen dort sinnlos sind. Die entsprechenden Formen gibt’s leider nicht mehr.



    Zum Abschluss noch zwei Bilder von der Nabe und von der Rückseite der Abdeckung der Selbigen.


    Edit wegen der Bilder