Trabant als Erstwagen – ein Erfahrungsbericht

  • Ein freundliches Hallo an die Forengemeinde aus der östlichsten Stadt in Deutschland!


    Mein Name ist Bruno, ich bin 19 Jahre alt und seit 2016 stolzer Besitzer eines Trabant 601 S Universal, gebaut im Februar 1987. Im Straßenverkehr ist der Trabant seit meinem 18 Geburtstag im März 2018 nach 17 Jahren Standzeit wieder unterwegs. Wir haben inzwischen gut 7000km zusammen zurückgelegt.

    Was einen jungen Menschen dazu bewegt heute noch einen Trabi fahren zu wollen? Mhm. Bei mir würde ich das Ganze auf ein “positives Kindheitstrauma“ zurückführen. Zum Kindergarten oder der Grundschule wurde ich fast jeden Tag von meinen Großeltern mit dem Trabant gefahren. Sie waren von 1965 bis zum Abgeben des Führerscheins durchgehend nur Trabantbesitzer. Ihr letzter Trabant gehört nun meinem Papa und steht auch bei uns auf dem Hof, kommt aber höchstens auf 200km im Jahr.

    Irgendwas ist da wohl bei mir über die Jahre hängen geblieben.


    Der 87er Universal

    Die 87er Limousine


    Ich möchte mit diesem Eintrag meine Erfahrungen der letzten eineinhalb Jahre schildern und damit vielleicht anderen angehenden Trabantfahrern einen Einblick geben was vom Trabant als Erstwagen zu erwarten ist.


    Um die Frage vorwegzunehmen, wir haben einen zweiten Trabant angeschaft, da ich unbedingt einen Kombi, keine Limousine fahren wollte.


    Zuerst möchte ich auf die Themen finanzieller Aufwand und Arbeitsaufwand eingehen.

    Die bisherigen Ausgaben belaufen sich (in etwa) auf:

    • 1400€ Kaufpreis
    • 800€ Werkstattkosten (u.a. neue Reifen, Bremsanlage neu, 3 Radlager neu + H-Abhname)
    • 300€ Ersatzteile (u.a. kosmetischer Kleinkram, originale Sitze, Dichtungen)
    • 192€ jährlich KFZ-Steuer
    • im ersten Jahr 350€ Versicherung, im Zweiten noch 220€, weiter fallend
    • zusätzlich dazu: viele Stunden Arbeitszeit, eine große Portion Herzblut

    Die Kosten für Anschafung und Werkstatt wurden von meinen Eltern getragen, der Rest von mir.

    Nicht zu Vergessen sind dabei die vielen Ersatzteile die sich hier seit 1965 angesammelt haben und nicht extra gekauft werden mussten, ebenfalls ein großer Vorteil!


    Bisher wurden am Fahrzeug folgende Arbeiten in Eigenregie durchgeführt:

    • Innenausstattung auf Originalzustand zurückgebaut und intensiv gereinigt
    • Elektroanlage wieder voll funktionstüchtig gemacht
    • Wiedereinbau KMVA
    • Vergaser gereinigt
    • Zündspulen, Kerzen und Kabel gewechselt
    • Wechsel auf Chromstoßstangen
    • Lack aufgearbeitet
    • ...viel, viel Kleinkram

    Unterstützt wurde ich dabei von meinem Papa, der als zu DDR-Zeiten gelernter KFZ-Elektriker über das nötige Wissen verfügt. Die Limousine passenden Baujahrs eignet sich zudem super zum abschauen. Auch die Beiträge hier im Forum sind natürlich sehr empfehlenswert. Inzwischen kann ich kleinere Arbeiten auch allein durchführen, was gerade unterwegs viele Vorteile hat.


    Der Kombi stand zuvor seit 2001 trocken in einer Scheune, laut Aussage des Verkäufers wurde der Motor von ihm geöffnet, von Ölkohle befreit und wieder fahrbereit gemacht, richtig glauben kann ich das anhand der Entwicklung des Klangs inzwischen aber nicht mehr.

    In näherer Zukunft wird also mit Sicherheit eine professionelle Komplettüberholung des Motors nötig, da die Laufleistung auch schon bei 72000km liegt. Ich plane damit im nächstem Sommer oder Winter, hängt aber auch etwas von meiner finanziellen Situation als Student ab.

    Die Karosse hingegen steht noch recht gut da, ist aber natürlich aufgrund des Alters und der schlechten Wirkung von Elaskon auch in den kommenden Jahren zu machen.


    Nun zu meinen Erlebnissen im Alltag:


    In den ganzen 7000km hat mich das Auto nur einmal so sitzen lassen, dass ich es nicht mehr nach Görlitz geschafft habe, das lag an der Zündanlage. Mittlere Reparaturen unterwegs gab es etwa drei, die haben mich aber nie mehr als 2 Stunden aufgehalten. Angeschoben hingegen habe ich ihn gerade in der Anfangszeit aber bestimmt 20 mal, bis ich mich doch dazu entschieden habe eine neue Batterie zu kaufen.

    Einmal erst habe ich mich bewusst dazu entschieden nicht den Trabant, sondern ein modernes Auto zu nutzen, da ging es aber wirklich um Zeit. Sonst fahre ich ausschließlich Trabant.

    Einige Einschränkungen habe ich mir gegeben aus den gesammelten Erfahrungen gegeben: Bei Schnee oder gesalzener Fahrbahn wird er grundsätzlich nicht bewegt, Autobahnen befahre ich nur im Flachland, und allgemein versuche ich nicht lange Zeiträume über die 80km/h zu kommen.


    Jedes mal wenn ich mich in das Auto setze, habe ich immer noch genau so viel Spaß wie beim ersten mal, das ist für mich der entscheidenste Pluspunkt. Es bereitet mir einfach Freunde beim Fahren noch etwas vom Auto zu spüren. Bis jetzt habe ich noch niemanden getroffen der sich nicht darüber gefreut hätte einen Trabi zu sehen, alle sind sofort aufgeschlossen und freundlich. Das gilt für ältere, wie auch gerade für jüngere Leute. Auf dem Parkplatz der Dorffeste in der Umgebung oder im Freundeskreis ist das Auto immer wieder ein großer Hit.


    Für mich ist der Trabi zudem ein super Ausgleich zu meinen anderen Interessen im IT-Bereich der mich dazu bringen nicht zu viel Zeit vor dem Bildschirm zu verbringen.


    Ein Fazit:


    Jedem der überlegt ob ein Trabant zu ihm als Erstwagen passt möchte ich den Tipp geben: Sucht jemanden in der Umgebung der Trabant fährt, fragt nach einer Probefahrt und genießt das Erlebnis. Danach immer noch von der Idee überzeugt? Klasse!

    Man sollte aber wissen, dass es sich weder um ein zeitlich noch finanziell unbelastendes Hobby handelt. Hätte ich alles selbst zahlen müssen könnte ich mir das Auto sicher nicht leisten. Fachkenntnisse und Ersatzteilbestände im Bekanntenkreis sind ein absoluter Vorteil. Ohne ist es, meiner Meinung nach, schwer, aber dennoch machbar. Unabdingbar ist ein Platz an dem man in Ruhe Reperaturen selbst durchführen kann
    Wer einfach was günstiges zum Fahren sucht, ist mit einem Kleinwagen aus den frühen 2000ern deutlich besser beraten.



    Zu Abschluss noch jeweils das Absolute Highlight und das Horrorerlebnis aus der Zeit.

    • Highlight: Zu viert und mit HP300 am Haken zum Camping an die Ostsee.
    • Horrorerlebnis: Mit 30km/h und nur einem Topf auf dem Standstreifen der Autobahn in den Bergen um Chemnitz zur nächsten Ausfahrt schleichen.


    Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit und das Lesen des langen Textes!

    Mögliche Fragen beantworte ich gern.

  • Herzlich willkommen im Forum und vielen Dank für Deinen Bericht. Für Neubesitzer sicherlich interessant. Aber auch für diejenigen, die schon lange einen Trabant besitzen und auch fahren ist der Einblick in die Welt eines Trabantneulings durchaus interessant.

    Autobahnen befahre ich nur im Flachland, und allgemein versuche ich nicht lange Zeiträume über die 80km/h zu kommen.

    Warum hast Du Dich so entschieden?

  • Hi Goerlitzer!


    Toller Bericht.

    Einmal erst habe ichmich bewusst dazu entschieden nicht den Trabant, sondernein modernes Auto zu nutzen, da ging es aber wirklich um Zeit. Sonstfahre ich ausschließlich Trabant.

    Nur das verstehe ich nicht so Recht. Zumindest im Nahverkehr ist ein modernes Auto nur unwesentlich schneller als der Trabant. 100 km/h fährt der auch und schneller darfst Du auf Landstraßen eh nicht fahren, meist sogar nur 70 oder 80.

  • Danke für Eure Antowrten!


    Friesentrabbi Wie schon im letzten Abschnitt beschrieben geht diese Entscheidung auf ein Erlebnis im letzten Sommer zurück, als ich auf der Autobahn bergauf starke Zündaussetzer bekam. Im Trabi auf dem Randstreifen mit 30km/h fahren während auf der linken Spur andere Verkehrsteilnehmer mit 160km/h unterwegs sind ist für einen Fahranfänger ein recht prägendes Erlebnis. Habe es dann auf der Landstraße auch nur noch gut 2km weiter geschafft, dann saß ich in einem Talkessel fest.


    Schuld war am Ende übrigens einer der Kerzenstecker.


    icke WES Das war ein Zusammenspiel aus verschiedenen Gründen. Trabi schon in der Reserve, 4 Uhr Nachts und ein Bekannter stand 15km entfernt im Regen vor der verschlossenen Haustür.


    Ich hoffe es ist Dir verständlich warum ich doch mal auf den Westwagen mit starker Heizung zurückgegriffen habe. :)

  • Hallo,


    willkommen hier und danke für deinen kleinen Bericht!


    Die Autobahn-80km/h-Geschichte möchte ich ebenfalls noch kommentieren.

    Meinen Trabant nutze ich an trockenen Tagen in der Saison auch für die Fahrt auf Arbeit. Das sind knapp 50km pro Strecke, gut 40km davon auf der Autobahn. Dort fahre ich mit einem guten 90er Schnitt (Gebirge), also bergab gerne mal 110km/h, bergauf fällt er an steilen Steigungen auf gut 80. In der Ebene sind es min. 100km/h (ohne Gegenwind). Das ist allerdings alles kein Vollgas, sondern der grüne Bereich an der KMVA (bergauf 1-2 orangene Lämpchen).

    Nach nunmehr 5 Jahren und etlichen tausend Kilometern auf der AB kann ich sagen, der macht das klaglos mit.


    Mein Erlebnis, was ich nicht mehr unbedingt haben möchte, war dabei der Keilriemen-Wechsel auf dem Standstreifen. Selbst schuld, da ich mit alter DDR-Ware herumgefahren bin.

    Und einmal hatte ich ein klemmendes Schwimmernadelventil, hab es aber bis auf einen Rastplatz geschafft und konnte dort den Fehler zügig beheben.


    Ansonsten fahre ich täglich an so 1-2 Liegengebliebenen vorbei und sage, teu teu teu, wie zuverlässig der Trabi ist.


    Gruß

    Benjamin

    Fährt und schraubt gern *Simson S50B1* *Schwalbe KR51/1* *Trabant 601 LX '88* *Lada Niva 1700*

  • Ja, die Geschichte mit dem defekten Zündgeschirr kenne ich. Ist mir vor drei Jahren auf der A2 Auf dem Weg zur OMMMA in einer Baustelle passiert. Sehr unangenehm. Da hilft halt nur, immer entsprechend Ersatz dabei zu haben. Man kann natürlich nicht alle Eventualitäten abdecken. Aber viele eben schon.


    Ist aber eben alles kein Grund, den Trabant nur unter 80 zu fahren und Steigungen zu vermeiden. Der Zweitakter braucht halt seine Umdrehungen und mit Steigungen kommt er auch klar.

  • Und deine gewünschte Motorüberholung können bestimmt min. 2 Forenmitglieder übernehmen.... Da kannst du eventuell auch zuschauen

  • Nunja, er schreibt doch das die Maschine inzwischen 72tkm weg hat und eine entsprechend auffällige Geräuschkulisse entwickelt und das der Vorbesitzer daran gearbeitet hat, was er (berechtigter Weise) in Zweifel zieht


    Insofern tut er doch gut daran, sie nicht mehr auf der Autobahn und auch sonst, stärker als unbedingt nötig zu belasten. So provoziert er wenigstens nicht noch auf den letzten Metern einen (vorzeitigen) Motorschaden.



    Ich meine, du machst alles richtig. Schau dich um nach einer ordentlichen Instandsetzung und bis darin weiter ruhig angehen lassen. 👍

  • In so einem Fall sollte man aber nicht “vorsichtig“, sondern gar nicht mehr fahren. Ansonsten läuft man Gefahr, auch beim “vorsichtigen“ Fahren verwertbares Material in Schrott zu verwandeln.


    Drehzahl ist so oder so da...


    Also, ganz oder gar nicht.


    Gruß

    Benjamin

    Fährt und schraubt gern *Simson S50B1* *Schwalbe KR51/1* *Trabant 601 LX '88* *Lada Niva 1700*

  • Grundsätzlich unbestritten, aber die Entscheidung darüber trifft letztendlich jeder selbst. Und in meiner Wahrnehmung wird selten konsequent abgestellt und repariert, sondern viel eher weitergefahren bis es nicht mehr geht unter dem Motto " wird schon halten bis zur Revision".


    Und gerade in diesem Fall ist die verhaltene Fahrweise sicher nicht negativ.

  • Das sich der Motor mit 72000km an der Verschleißgrenze bewegt ist mir durchaus bewusst, deshalb strebe ich ja in näherer Zukunft eine ordentliche Regeneration an.

    Nur versuche ich in der Zeit bis dahin bei Möglichkeit den Motor nicht zu stark zu beanspruchen, was aber nicht bedeutet das ich den Trabi nur mit niedrigen Drehzahlen fahre. Wenn ich die Möglichkeit habe auf flacher Strecke entspannt mit 80km/h zu fahren, dann nutze ich diese.

    Das ist auch für Unterhaltungen im Fahrzeug eine gute Lösung, ohne brüllen zu müssen. Am Berg oder beim Überholen etc. fahre ich natürlich auch im oberen Drehzahlbereich. Und das macht sich auf der Landstraße einfach entspannter als auf der Autobahn.


    Um dem Thema “verwertbares in Schrott zu verwandeln“ zu entgehen habe ich extra im Bezug auf die Laufleistung und die Geräusche mit meinem Werkstattmeister gesprochen der selbst noch Trabantfahrer (P50) ist. Er hat mir versichert, dass sich die Situation noch nicht im kritischen Bereich befindet. Auf seine Aussage und die meines Papas vertraue ich in dem Bereich mal.

    Sollte es wirklich nicht mehr weiter gehen dann muss er stehen bleiben, ich habe das Glück als (baldiger) Student den ÖPNV kostenlos nutzen zu können.

  • Herzlich willkommen und grüße aus Bautzen :winker:

    Viele Menschen wurden dazu erzogen, nicht mit vollem Mund zu sprechen. Aber sie scheuen sich nicht, es mit leerem Kopf zu tun (Orson Welles)

  • Was längere Autobahn-Fahrten angeht, da geb' ich Gas, bis dass ich mich hinter einem Fernlaster mit möglichst breitem Heck befinde, der schon mit leicht überhöhter Geschwindigkeit unterwegs ist. Da bleibe ich dann hinter, bis einer von uns abbiegen muss. Auch die Überholvorgänge mache ich mit, sofern ich dies ohne Gefahr machen kann. Sonst warte ich, dass der überholt hat und schließe dann wieder auf.


    Dadurch spare ich Sprit und komme entspannt an's Ziel. So bin ich schon mehrmals die komplette A2 gefahren.

  • Nach 200 km + x schon tanken angesagt? Ziemlich bizarr...


    Und wenn Du dann also 10 l nachtankst, ist das schon gut (und ähnlichen Verbrauch im Konvoi hinter QEK auf der Autobahn kann ich bestätigen), aber warum kommst Du überhaupt auf die Idee, nach 200 km zu tanken?

    Auch Leute mit QEK im Konvoi dabeigehabt? Da sollen 12 l / 100 km ja normal sein.

    Früher gab's Sex, Drugs & Rock'n'Roll -

    jetzt gibts Veganer, Laktoseintoleranz und Helene Fischer

  • Es ist über 20 Jahre her und es können auch 250 km gewesen sein. Ich wollte bloß vorbeugen daß ich auf der Strecke auf Reserve drehen mußte, irgendwie hat mich das damals nervös gemacht. Vielleicht weil es mir zu oft beim LKW überholen passierte... Fakt ist daß ich im Tank weniger als 16 L erwartete.


    Und darf man -auch im Nachhinein- bitte selbst entscheiden wann man tankt?

  • Naja gut, 10l auf 200km schaffe ich bei sehr verhaltener Fahrweise auf der Autobahn auch.

    So sind es ca. 6,5 auf 100km. Hinter einen LKW klemme ich mich nur, wenn wirklich sehr viel los ist. Ansonsten ziehe ich an denen recht mühelos vorbei.


    Gruß

    Benjamin

    Fährt und schraubt gern *Simson S50B1* *Schwalbe KR51/1* *Trabant 601 LX '88* *Lada Niva 1700*