Was macht ihr denn gerade?

  • In meiner frühesten Jugend befand sich neben unserem Haus ein Sperrmüllcontainerplatz. Das war mein und einiger andere Kinder Lieblingsspielplatz. Es kam da auch recht häufig vor das dort alte Gramophonplatten landeten. Für uns Kinder waren das ganz fantastische Spielzeuge. Wir spielten damit Frisbee und freuten uns wenn sie sich in tausend Splitter auflösten.

    So blöd war man damals.

    Aber dieser Platz hat mein Leben und meine Sammelleidenschaft bis heute geprägt.

  • Schellackplatten gibts noch zuhauf - ich habe um die 5.000 Stück. Die meisten Platten, die man heute findet, sind im Wert und Preis irgendwo zwischen 50 cent und einem Euro...Aber es gibt halt auch Sammlerstücke. Für bestimmte Schlager und Orchester zahlt man schon mal um die hundert Euro oder mehr pro Platte, der kleine grüne Kaktus geht nicht mehr unter 500 weg und für "i cant give you anything but love" - einen heißen Jazz-Titel gespielt von Lud Gluskin - habe ich im Verkauf knapp 1200 Euro bekommen, als ich die Platte doppelt hatte.

    Wie gesagt, 99% der im Umlauf befindlichen Platten sind im Wert sehr gering, aber 1% kann dann halt sehr teuer werden. Auch politische Platten der 30er Jahre kosten oft schon ein Vermögen... Wobei ich nie mehr als 100 Euro für eine Platte ausgegeben habe, und das dann auch nur die Ausnahme war und alle paar Jahre mal passierte.

    Ein besonderes Sammlergebiet sind dann noch sehr frühe Aufnahmen um 1898-1904, die sind i.d.R. immer teuer.



    Die Größe des Schellack-Sammlerkreises ist nicht zu unterschätzen...Ich würde sagen, dass es in Deutschland einige Tausend gibt. Teure Platten spielt man natürlich nicht auf dem Grammophon...Allgemein nutze ich Grammophone nur vereinzelt zum demonstrieren der alten Technik, ansonsten habe ich zum täglichen hören einen RFT-Leichttonarm-Plattenspieler, der die Dinger verschleißfrei spielt.

    Beim Grammophon muss auch nach jeder gespielten Plattenseite eine neue Stahlnadel her - zum Glück werden Selbige bis heute hergestellt.



    Das oben gezeigte Hermophon dürfte mit seiner Ausstattung zwischen Dezember 1924 und Frühjahr 1929 hergestellt worden sein. Der Umbau auf den neuen Motor erfolgte dann höchstwahrscheinlich in den frühen 30ern, nachdem beim alten Motor wahrscheinlich eine Antriebsfeder gebrochen war, und vom da schon nicht mehr in der Form existenten Hersteller keine Teile mehr zu beziehen waren. Originalität war den Kunden bei damaligen Reparaturen in diesem Preissegment leider fast nie wichtig.

    "Hermophon" war hier allerdings wie so oft auch nur die Firma, die alles zusammenbaute. Die Einzelteile stellten 2-3 große Fabriken für fast alle Grammophonmarken jener Jahre her, die Firma an sich baute dann bestenfalls das Gehäuse und würfelte aus verschiedensten Quellen dann ihre Grammophone zusammen. So war es bei allen kleineren Herstellern üblich. Nur der Lindström-Konzern, Die Deutsche Grammophon AG und Electrola/His masters Voice als Könige des Marktes bauten fast alle Teile selbst.

    Das gezeigte Gerät dürfte damals um die 40 Mark gekostet haben, und damit noch immer einem guten Arbeiter-Monatslohn entsprochen haben. Es ist ein typisches Arbeiter-Standgerät in einfacher Ausführung, wie sie in den 20ern Millionenfach in Haushalten standen. :thumbup:

  • Ich habe „mit der Reserveradhalterung für den Trabant 601 (...) ein Erzeugnis aus der Konsumgüterproduktion des VEB Geologische Aurüstungen und Reparaturen Doberlug-Kirchhain“ in meinen 76er installiert. Mal schauen, wie es sich bewährt.

  • Hier als Beispiel für ein deutsches Spitzengerät mal ein Prunkstück meiner Sammlung - eine "Chatulle Monarch Deluxe No.11" der Deutschen Grammophon-Aktiengesellschaft aus dem Jahr 1904 - kostete mehrere Jahresgehälter eines Arbeiters und etwa so viel wie der Bau eines einfachen Einfamilienhauses zu jener Zeit.

    Der Trichter ist aus Eichenholz in mehreren Schichten gearbeitet, das Werk ist aus Vollmessing und Guss mit einem für die Zeit sehr hochwertigen Zweifedermotor gearbeitet und das Gehäuse ist ebenfalls aus Eiche.

    Das Gerät ist unglaublich gut erhalten und unrestauriert. Verfärbungen kommen vom Fotoblitz...




    Es steht auf diesen schon älteren Bildern übrigens auf einem Schrankgerät der Deutschen Grammophon-AG nach amerikanischer Form aus 1912, gefertigt aus Mooreiche und gute 60 Kilo schwer.

  • phi Sehr interessante Konstruktion. Gibts zufällig noch mehr Fotos davon?


    MfG

    Matze

    Stets dienstbereit, zu Ihrem Wohl, ist immer der Minol-Pirol!

  • Ja. Aber nicht mehr ab 1985 und auch nur Eska.

    Mein Motor 06/85 ungeöffnet hatte ab Werk Zylinder- und Krümmerschrauben.

  • So einen Opa hätte ich auch gerne gehabt!:)

    (oder überhaupt noch einen...?().


    In unserer Familie bin ich wohl der einzige, der mit einer (auch noch ziemlich ausgeprägten und vielfältigen :verwirrt:) Sammelmacke versehen ist (neben Mutter, die zumindestens etwas sammelt).

    Wie sehr man an dem jeweiligen Kram hängt, können wohl nur Mackenverwandte wirklich verstehen...:winker:

  • Und ich dachte schon, ich hätte einen leichten Knall mit meinem Faible für alte Plattenspieler und sonstiges HiFi Gedöns! ^^

    Mich fasziniert verhältnismäßig neumodischer Kram, zum Beispiel der Plattenspieler mit dem wohl maximal möglichen Elektronikaufwand, um eine Schallplatte abzuspielen. Diese Kiste ist voll mit Servos für Drehzahl, alle Achsen des Tonarms usw.


    https://www.hifi-wiki.de/index.php/Sony_PS-X_800



    Leider steht der noch bei einem Freund in Süddeutschland, wo er ihn für mich gekauft hat.

    Den könnte ich für die Sperrzeit gut als Zeitverteib gebrauchen.

  • Ich besitze das ostdeutsche Pendant dazu, leider war/ ist der Plattenteller das einzige, was sich an dem Ding noch bewegt....

    Wobei mir diese Mimik mit dem aktiv geführten Tonarm auch relativ suspekt ist - Aufwand und Nutzen stehen hier meiner bescheidenen Meinung nach in keinem guten Verhältnis, oder?

  • So ein Tangentialplattenspieler ist dann natürlich das High-End-Produkt schlechthin, echt spitze das Teil! Gewissermaßen ja ein "zurück zum Urschleim" - denn bei den ersten Tonaufzeichnungsgeräten - den Phonographen von Edison, Columbia, Puck, EWC & Co. wurde der Tonabnehmer ja auch per Mandrel bewegt, und nicht allein durch die Kraft der Rillen. Hier mal ein praktisch Ladenneuer Bial&Freund aus Breslau, um 1901, den ich vor Jahren mal billigst bekam:


    Für ein Grammophon ist dieser Vortrieb allerdings nicht nötig, da würde ein Tangentialvortrieb des Tonarmes keinerlei klangliche Veränderung bringen...aufgrund der teils doch recht unterschiedlichen Rillenbreiten wäre das u.U. auch nicht gerade Plattenschonend, wenn man an die Stahlnadeln denkt... Der Phonograph mit seinem dauerhaft benutzbaren Saphir als Nadel war dem Grammophon, welches ihn ablöste, in der Hinsicht eigentlich recht weit voraus...


    Irgendwann hol ich Opas gutes Electrola auch mal wieder hervor. In Neuzustand hat er das vorm Sperrmüll gerettet, wie vieles anderes auch, was ich heute hüte und bewahre.

    Da würde mich ja echt mal das Modell interessieren! Ist es ein Koffer- Tisch- oder Schrankgerät? :)

  • Ich besitze das ostdeutsche Pendant dazu, leider war/ ist der Plattenteller das einzige, was sich an dem Ding noch bewegt....

    Wobei mir diese Mimik mit dem aktiv geführten Tonarm auch relativ suspekt ist - Aufwand und Nutzen stehen hier meiner bescheidenen Meinung nach in keinem guten Verhältnis, oder?

    Einen HMK-PA1203 ? Auch ein schönes Teil!

    Den durfte ich mal als Lehrling auf dem Tisch haben. Lange her und war ziemlich fasziniert davon. War natürlich bei 127 Ostmark Lehrlingentgelt nicht mal dran zu denken....:D


    Vielleicht bekommen wir den ja gemeinsam zum Laufen? Bei Bedarf gerne PN.


    Sinnvoll ist die tangentiale Tonarmführung in der Theorie schon, allerdings nur, wenn sie gut gemacht ist.

    Sonst hast du auch immer wieder Spurfehlwinkel, bevor der Tonarm "nachruckt".

    Aber geil ist das schon anzusehen. Es sollte wohl haupsächlich den Bedienkomfort erhöhen. Wenn ich mich recht erinnere, findet der 1203 mittels Lichtschranke am Abtaster auch die einzelnen Titel?

  • Ich bin positiv überrascht, dass ihr alle fein zu Hause bleibt.

    Ich glaube es wurde lang nicht an einem Sonntag so viel geschrieben wie heute.

    Jetzt wo ich tot bin ist alles soviel leichter,
    ihr müsst alle aufstehen und ich schlaf einfach weiter.


    Nicht lange raten, recherchieren! Original-Trabant.de

  • Ich besitze das ostdeutsche Pendant dazu,

    So einen RFT-Tangetialplattenspieler hat mir anno 1991 mal ein Kommilitone auf den Tisch gestellt. Ich stand davor wie ein Schwein vorm Uhrwerk. Mein RFT-Servicehandbuch von 1987 kannte diese Technologie noch gar nicht. Zum Glück konnte ich den Fehler dennoch lokalisieren, und auf sehr russische Art beheben: Gebrochene Ader der flexiblen Leiterkarte zum Tonarm kurzerhand mit einem Stück Schaltlitze überbrückt ;) Hat offensichtlich danach noch lange einwandfrei funktioniert.


    Der Kommilitone war so happy damit, dass er mir 2 Jahre später ein defektes RFT-HiFi-Kassettendeck mit vollelektronischer Laufwerkssteuerung auf den Tisch stellte. Damit war ich dann aber echt überfordert. Im o.g. Handbuch war diese Technologie schon erläutert, aber erstens nicht sehr detailliert und zweitens konkret auf ein etwas anderes Modell bezogen. Zu allem Übel habe ich dann auch noch beim Durchmessen mein Drehspulinstrument quer durchs Zimmer geschleudert, weil ich übersehen hatte, dass es am Netzteil spannungsführende Teile ohne Berührungsschutz gab. Nach dieser Erfahrung hatte ich erstmal ernsthaft überlegt, ins Krankenhaus zu gehen und ein EKG machen zu lassen... Irgendwie hab ich das Ding dann auch wieder zum Laufen gebracht, aber ob der Kollege damit wirklich glücklich geworden ist, bezweifele ich. Ich wusste selbst nichtmal, welche meiner zahlreichen, teilweise vermutlich sinnlosen, Maßnahmen zum "Erfolg" geführt haben.


    Gruß Steffen

    Früher fuhr ich 6V, weil ich musste. Heute tu ichs, weil ich kann.

  • franagch : nee, kein HMK ... Das ist ein LT-CS 01. Leider habe ich keine BA o.ä. dazubekommen, "Vorprogrammierung" ist aber wohl möglich. Ich denke auch, dass es vor allem erhöhter Bedienkomfort beabsichtigt war mit dieser Bauart.

    Wobei ich diesbezüglich schon mit dem automatischen SP 1800 vollauf zufrieden bin. Vinyl ist schon 'ne feine Sache - Totgesagte leben länger...:)


    Anne: wo "Mutti" und diverse Landesväter uns doch so nett drum gebeten haben...;) Ausserdem sind wir eben vernünftig (relativ...) :hacker:

  • Zitat

    Ist es ein Koffer- Tisch- oder Schrankgerät?

    Ein Koffergerät.

    Frag mich nicht nach dem Modell.

    Meine Großeltern wohnten 30 Jahre lang in einer Art Fabrikantenvilla...wobei Villa das falsche Wort ist. Jedenfalls lebten die vormaligen Fabrikanten da anfangs noch mit drin und haben irgendwann alles entsorgt.

    Darunter zwei Grammophone, drei Bände "Der Weltkrieg im Bild" und ähnliche Dinge. Gläser, Hausrat, einfach alles.