Lenkrad schwitzt?

  • Im Keller sind die Schwankungen (Temp.-Luftfeuchtigkeit)auch nicht so hoch.
    (Die andere Frage wär was für den Chemiker, ist hier denn keiner? :winker:)

  • Das wird mit hoher Wahrscheinlichlichkeit auch nichts bringen.
    Dieser Prozess beginnt IM Material. Sehen kann man es daran, das die LR erst "nur" aus den Gießlöchern (hinten) bluten. Vielleicht kann es den Prozess verhindern, genau diese Löcher rechtzeitig luftdicht zu verschließen (mit der Heißklebepistole vielleicht).
    Ich denke aber, dass es auf lange Sicht mal auf eine Repro hinausläuft, denn wenn man so liest wem das alles passiert und wieviele Baujahre mit dem LR ausgestattet sind....
    Wie gesagt, man müßte auch mal näheres über die Produktionsjahre der "Bluter" wissen.

  • Beim Kunststoff handelt es sich um einen Thermoplast. Dieser wurde während der Produktion um den Metallträger herumgepresst.


    Ausgehend vom PCK (Wie sicher ist eigentlich diese Annahme?) habe ich mal ein wenig recherchiert. Die haben in erster Linie Kraftstoffe hergestellt und Terephthalsäure (1,4-Benzoldicarbonsäure).
    Dieses ist der Ausgangsstoff für den Kunststoff Polyethylenterephthalat (PET), ein Polyester. Hierzu wird Terephthalsäure mit Ethylenglykol (Glykol, Ethan-1,2-diol) verestert (Polykondensation). Da beide Moleküle zwei funktionelle Gruppen haben, führt dies zur Bildung langer Ketten, dem eigentlichen Kunststoff. Bei dieser Reaktion wird Wasser frei, welches entfernt werden muss, da sonst die Rückreaktion (!) einsetzt.
    Daraus folgt, dass, solange Wasser in der Nähe ist, der Kunststoff langsam zerfällt!


    Aus einem modernen Datenblatt für thermoplastische Polyester ist zu entnehmen, dass nach Wasserkontakt über ein Jahr bei 23 Grad C die Zugfestigkeit auf 92% abgenommen hat. Das Material ist um 0,47% schwerer geworden und hat sein Maß um 0,07% geändert. Alles nicht viel, aber wenn man das mal auf 30 Jahre hochrechnet…
    Das ganze wird noch deutlich schlechter, wenn z.B. Säuren oder Basen in der Nähe sind oder im Kunststoff „vergessen“ wurden.


    Durch den Zerfall entstehen wieder Monomere, die mit der Zeit aus dem Material heraus diffundieren.
    (Dies tritt besonders auf wenn das Material bei Temperaturschwankungen „arbeitet“. Höhere Temperaturen begünstigen dabei sowohldiesen Prozess als auch die Zersetzung.)


    Dabei stellt der Glykol die ölige Flüssigkeit dar (ggf. mit darin gelöster Terephthalsäure). Die Terephthalsäure kristallisiert mit der Zeit als kleine weiße Nadeln aus (hab ich sogar schon mal an einem Lenkrad gesehen).
    Die beiden Substanzen würde ich nicht als unbedingt „Gesund“ bezeichnen. Terephthalsäure ist reizend und Glycol gesundheitsschädlich. Beide werden über die Haut aufgenommen.
    Glykol wirkt reizend auf Schleimhäute, vor allem die des Auges. Bei hohen Dosen wirkt es zudem toxisch auf Nervengewebe, es kommt zu Herz-Kreislauf- und Stoffwechselstörungen sowie Nierenschädigung.
    (Also ich würde nicht unbedingt meine Finger drin baden! :grinser:)


    Das Beste ist also so ein Lenkrad ordentlich zu reinigen und zu trocknen, in eine Plastiktüte mit Trockenmittel (z.B. Silicagel) luftdicht einzuschweißen und das ganze an einem kühlen und dunklen Ort aufzubewahren.


    Da ich in erster Linie von einer Vermutung und Indizien ausgehe, sind alle Angaben ohne Gewähr. :zwinkerer:
    Genaues weiß man also erst, wenn man die Soße mal analysiert.
    :winker:

    summ, summ, summ, mein Trabi summt herum :raser:

  • Zitat

    Original von smithers601
    das geht sogar so weit das man sich damit den Sitz versauen kann.
    Ich kenn da jemandem aussen forum der hatte auf einmal nen schwarzen Fleck aufm 69er Polster. Sehr geil sowas.


    Komischerweise nur bei den schwarzen Rädern. Die weissen machens nicht


    Ich bin der mit dem Fleck auf meinem Selfa Sitz :zornig:


    Ich habe mind. 3 schwarze die alle schwitzen und teilweise schon Schrott sind! Ich werde mir auch nie wieder so ein schwarzes einbauen! Jetzt hab ich ein graues drin das ich schwarz lackiert hab :zwinkerer:

  • wenn es die anwesenden Trabantfahrer beruhigt: das Problem hat das schwarze schmale Wartburg-Lenkrad auch...... das Problem ist quasi markenübergreifend.....
    bei mir hats schon eins vom 69er gehimmelt und im Wartburg-Forum kam auch schon einer mit dem Problem....

  • Falls ihr katholischer Konfession seid könnt ihr ja eure Pappe (oder das Lenkrad) zum Wunder erklären lassen. Hat ja bei „blutenden“ Heiligenfiguren auch gelappt. :grinsi:


    Übrigens oben ist mir ein Fehler unterlaufen, es heißt natürlich Benzol-1,4-dicarbonsäure. :schaem:
    Das ist aber wohl niemandem aufgefallen. :grinser:

    summ, summ, summ, mein Trabi summt herum :raser:

  • SUMM:


    Sehr interessante Ausführungen - auch wenn ich als Chemie-Null nahezu nur Bahnhof verstehe.


    Aber soviel ist mir doch klar geworden, daß besonders schwankende Temperaturen in Verbindung mit Wasser diese Reaktion hervorrufen können.


    Also spielt die Luftfeuchtigkeit doch eine größere Rolle. Kann man evtl. entgegenwirken, indem man Luftentfeuchter im Fahrzeuginnenraum aufstellt? Zumindest in der Fahrpause übern Winter erscheint mir das sinnvoll - denn gerade im Winter tritt (aufgrund des feuchten Kondensniederschlags auf/im Fahrzeug bei Temperaturwechseln) dieser Auflösungseffekt auf.

  • Davon kann ich und alle anderen Robur, wie auch W50-Fahrer ein Liedchen singen :heuli2: ... unsere Lenkräder(Bakelit oder sowas) neigen auch nach einiger Zeit zu reißen oder zu zerfließen. Lässt sich leider nicht stoppen. Das Material ist nicht wirklich UV-beständig und die UV-Strahlung nimmt ja stetig zu. Man könnte ein noch gutes Lenkrad mit entsprechend UV beständigem Lack lackieren ...

  • Und genau das ist es!


    Ich denke (chemie bin ich nur mittelmäßig) das es weniger mit Feuchtigkeit, den mehr mit Sonneneinstrahlung, sprich UV-Licht zu tun hat und auch mit Temperatur.


    Ich hab ein neues anno mitte der Siebziger zu liegen und da ist nix dran. Und ich muß sagen das es in einem Bereich liegt der nicht unbediengt trocken ist, dafür aber dunkel und temperatur stabil.

  • Bei mir genau umgekehrt:


    Ich habe eins im Teilelager an der Wand hängen und das trieft aus allen Poren - dort herrscht Außentemperatur - mit entspr. Schwankungen, daher auch immer wieder gewisse Feuchtigkeit.


    Aber dort ist es stockdunkel. Licht kommt nur rein, wenn ich die Tür öffne oder die Leuchtstoffröhren einschalte.
    UV kommt da nur in winzigen Mengen 'ran - und direkte Sonneneinstrahlung nie.


    Der 70er hingegen stand schon häufig über mehrere Tage in der Sonne - die volle Sommerladung. Das Lenkrad ist trocken.


    :hä: :hä: :hä:

  • Hier mal noch nen bisschen Senf von mir.


    Habe mal versucht eine Probe zur Analyse zu geben, habe dies aber bis jetzt nicht einrichten können. Falls jemand die Möglichkeit hat: „Hier“ schreien! :winker:


    Zum Thema:


    Bei den entsprechenden Lenkrädern ist Bakelit als Kunststoff wohl mehr als unwahrscheinlich. Bakelit ist ein Polykondensat aus Phenol und Formaldehyd, ein Duroplast (ja, quasi „Pappen“ ohne Baumwolle). Duroplast ist ein dreidimensional Vernetzter Kunststoff mit dem Vorteil hoher thermischer und mechanischer Belastbarkeit. Allerdings neigt Bakelit bei extremer mechanischer Belastung zum splittern. Das mir vorliegende Lenkrad lässt sich hingegen leicht mit Wärme erweichen und mit einem Messer zerteilen, was eher auf einen Thermoplast hindeutet. Außerdem wenn es tatsächlich Bakelit wäre, würden unter anderem Phenole freigesetzt. Phenol wirkt antiseptisch und ätzend. Es frisst sich deshalb unbemerkt durch bis auf den Knochen. Ich habe noch nicht gehört, dass bei einem Benutzer dieser Lenkräder die Hände abgefallen sind. :grinser:


    Bei älteren, bis heute stabilen, schwarzen Lenkrädern ist Bakelit durchaus wahrscheinlich. Bei den weißen Lenkrädern wurde vermutlich ein Aminoplast z.B. Resopal (ebenfalls ein Duroplast) verwendet. Solche Duroplaste sind verdammt Langzeitstabil! Bakelit zeigt allenfalls nach Jahrzehnten eine leicht stumpfe braune Oberfläche. Ich besitze verschiedene Gegenstände aus solchen Materialien aus der entsprechenden Zeit (auch aus der DDR) die keine „Zersetzung“ zeigen.


    An einen eindeutigen Einfluss von UV-Strahlung glaube ich ebenfalls nicht.
    Durch (hochenergetische) UV-Strahlung werden chemische-Bindungen homolytisch gespalten. D.h. es entstehen Radiale mit einzelnen ungepaarten Elektronen. In einer Kettenreaktion kann dies in Verbindung mit Sauerstoff zu einer langsamen Zerstörung des Kunststoffes führen. Dafür reicht im Prinzip eine einmalige Bestrahlung mit UV-Licht.


    Ich halte dies für unwahrscheinlich, da UV-Basierte Prozesse oberflächennahe Prozesse sind (da wo das Licht ankommt) und die Betreffenden Lenkräder „bluten“ ja aus dem Volumen. Weiterhin wird die (hochenergetische) UV-Strahlung durch die Fensterscheiben nicht durchgelassen (man wird ja auch nicht hinter einer Glasscheibe braun!). Es sollten also nur Kübel-Lenkräder „bluten“. Weiterhin werden Kunststoffe häufig mit Ruß (carbon black) geschwärzt, dieser „fängt“ die UV-Strahlung ab, was ebenfalls gegen einen Volumenprozess spricht.


    Ich halte weiterhin an meiner obigen Vermutung fest. Allerdings ist es durchaus wahrscheinlich, dass der Eisenkern den Prozess katalysiert. Besonders Eisenoxide und das garantiert vorhandenes Eisenoxidhydroxid sollten die Esterspaltung begünstigen. Dieses würde ebenfalls für einen Volumenprozess sprechen!


    Letztendlich ist es egal, was tatsächlich passiert. Man wird wohl früher oder später Lenkräder aus modernen Kunstoffen nachfertigen müssen. Dazu wäre es hilfreich, wenn jemand von einem gut erhalten Lenkrad einen negativ Abdruck nehmen würde. Weiterhin sollte man die „blutenden“ Lenkräder nicht wegschmeißen. Um den Metallkern kann man dann ein neues pressen.

    summ, summ, summ, mein Trabi summt herum :raser:

    2 Mal editiert, zuletzt von SUMM ()

  • Moin :winker: :winker: :winker: :winker: :winker: :winker:



    Was Hast du den studiert das hört sich ja richtig KLUG an :grinsi: :grinsi: :grinsi: :grinsi: :grinsi:




    Zitat

    summ, summ, summ, mein Trabi summt herum




    :beamer: :beamer: :raser: :raser:

  • Habe meine Teile und auch Lenkräder im Heizungskeller und noch keine Verfallserscheinung.
    SUMM Wenn du noch keinen gefunden hast, schicke mir eine Probe. Ich kann die im Labor analysieren lassen.

  • ick wollte nur sagen, dass es mich freut, zu sehen, dass das von mir vor 2 Jahren gestartete thema immer noch kontrovers diskutiert und beleuchtet wird *freu*. das Lenkred, was ich übrigens vor 1,5 jahren erneuert habe, tropft kein bisschen. die trief-reliquie hängt tropfend im keller...:-)
    grüße, marcus

  • Ach, du bist der Unhold! :winker:


    Ich habe ja zum triefenden Lenlrad schon was geschrieben. :lach:


    Ich hab dich hier noch gar nicht mit deinem Kübel patroullieren sehen. :grinsi:
    Dabei müsstest du ja hier in der Nähe wohen. Ich komme aus Friedrichshagen! :hmm:

    :rotnase: "Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, nu kopieren müssen? Ich denke, Genossen, mit der Monotonie des Je-Je-Je, und wie das alles heißt, ja, sollte man doch Schluss machen." :rotnase:

  • Ich besitze nur ein schwarzes Gebraucht-Lenkrad, welches auf dem Teileboden hängt - also zwar trocken, aber allen Temp.- und Luftfeuchteschwankungen ausgesetzt. Dafür hängt es relativ dunkel - direkte Sonneneinstrahlung kommt da definitiv NIE hin (sonst müßte ich den Schuppen drehen oder das Haus abreißen... :grinser:).
    Jedenfalls ist dieses Lenkrad absolut trocken - deckt sich also nicht mit Deli´s Erfahrungen. Ist schon merkwürdig - kann eigentlich nur an schwankender Materialqualität liegen letztenendes... :zwinkerer:

  • So, da bin ich mal wieder.


    @ Klaus


    Wäre super, wenn sich das einrichten lies.
    Was für ne Probe hättest du denn gerne?
    Habe ein Lenkrad, an welchen die (vermutliche) Terephthalsäure schon auskristallisiert. Vom Lenkrad ließe sich bestimmt auch ein Stück abschneiden. Mit der öligen Flüssigkeit selbst kann ich nur wenig dienen.
    Und was gedenkst du zu tun? Z.B. GC/MS, LC/MS?
    :winker:

    summ, summ, summ, mein Trabi summt herum :raser: