Ich und "meine DDR"

  • Genau DAS finde ich auf IFA oder Trabanttreffen sehr befremdlich. Warum muss man dort in der Uniform eines Volkspolizisten den Verkehr regeln? Das verstehe ich nicht.

    Das geht mir heute ganz genauso. Damals fand ich es irgendwie lustig. Ich habe noch nicht so viel drüber nachgedacht wie heute.

  • Tja - wie (über)lebt man am besten in einer Diktatur? souverän oder angepasst oder souverän angepasst?


    Ich hatte meistens die Hasenbrote von gestern im Ranzen, aber kein Nutellabrot & Co. So unterschiedlich konnte es wohl sein...Wenn meine Eltern (egal wo) ausgesprochen hätten, was sie gedacht und zu Hause gesprochen haben, wäre es, wie ich inzwischen nachlesen konnte, bei "etwas auszustehen" nicht geblieben...dann wiederum wären meine Erinnerungen an dieses Land möglicherweise eher negativ belastet...

  • Ich versuche mich gerade zu erinnern was ich damals als Pausenbrot hatte.......ich weiß es nicht mehr, ist zu lange her, müßte ich mal die Mutti fragen.

    Ich kann mich nur noch dunkel an die dreieckigen Milchtüten erinnern. Blau und braun in dreieckigen Kartons.

  • Ich kann mich nur noch dunkel an die dreieckigen Milchtüten erinnern. Blau und braun in dreieckigen Kartons.

    Du hast ja auch in der Hauptstadt gewohnt.

    Bei uns gab es Milch in Glasflaschen.

    Vollmilch, Erdbeer und Kakao.

    Jetzt wo ich tot bin ist alles soviel leichter,
    ihr müsst alle aufstehen und ich schlaf einfach weiter.


    Nicht lange raten, recherchieren! Original-Trabant.de

  • Warum muss man dort in der Uniform eines Volkspolizisten den Verkehr regeln?

    Muss man? Glaube ich nicht.

    Aber wenn man es tut, dann weil ein verkehrsregelnder Volkspolizist nunmal von der Epoche her zu den ausgestellten Fahrzeugen paßt und man Geschichte eben auch ganz gern mal nachstellt.


    Bei Diskussionen über diese Frage wird allzu oft Verkehrspolizist mit MfS und Polizeistaat gleichgesetzt, denke ich.

  • Aber was hat ein Uniformierter auf einem Fahrzeugtreffen verloren? Wenn man Geschichte nachstellen möchte, kann man das doch auch in Zivil. Ich fand das Foto - ich glaube es war der Hr. Wünsch - , welches hier vor kurzem auftauchte, einfach nur großartig. Zivile Kleidung der damaligen Zeit.

    Und wie Felix schon schrieb, bleibt es oft nicht beim Polizisten. Da sieht man noch ganz andere Uniformen.

  • Kollege Wünsch ist auch schon im einStrichkeinStrich mit Käppi und Stiefeln rumgelaufen - obwohl er als völlig systeungeküsst gelten darf....

  • Da sieht man noch ganz andere Uniformen.

    Welche denn?

    Oder meinst Du die Typen, die mit Helmen aus der Wehrmachtszeit auf ihren Simson-Mopeds sitzen und gar nicht wissen, daß Helm und Moped miteinander nichts zu tun haben und sich der Name Simson und Accessoires aus der Nazizeit eigentlich sowieso gegenseitig ausschließen müßten...

  • Nein, ich meinte eher NVA. Ich sehe eben keinen Bezug, warum ich auf ein Fahrzeugtreffen Uniform tragen sollte. Wenn die Leute das mögen, sollen sie das auch tun, aber doch nicht auf einem Fahrzeugtreffen. Für Uniformverehrer gibt es andere Treffen.

  • Ist das die vielgepriesene Toleranz? ;)

  • Wie weit soll die Toleranz gehen? Ich war auf einigen Treffen von italienischen Oldtimern. Hab dort nie einen Uniformierten gesehen. Warum? Weil die Teilnehmer intolerant sind? Nein, weil dort niemand auf die Idee käme, in Uniform zu erscheinen. Es passt einfach nicht zu einer Veranstaltung, bei der es um die Fahrzeuge gehen sollte. Aber lasst uns beim Thema bleiben.

  • Ist das die vielgepriesene Toleranz? ;)

    Es gibt einen Unterschied zwischen Toleranz und Verstehen. Tolerieren tue ich es. Es steht mir ja frei die Veranstaltung zu verlassen. Aber ich verstehe es eben nicht. Ich verstehe auch nicht, warum man sich zum Spaß ein Militärfahrzeug kauft. Aber ich respektiere gleichwohl, dass Andere darüber eben anders denken. Unabhängig davon stand ich auch schon staunend vor so manchem Kriegsgerät im Museum. Mein Staunen war dann aber eher technischer Natur. Wieder ein anderer Aspekt.

  • Ich halte das schon immer so, dass ich fast alles toleriere, aber ich nicht alles verstehen muss........wozu auch....im Zweifel schont es auch die Nerven.

  • Tja, aber wie Felix schon sagte, man muß sich davor hüten, die Dinge einseitig zu betrachten und unzulässig zu verallgemeinern.


    Mein Opa z.B. war nicht in der Partei, war aber trotzdem 28 Jahre lang Direktor einer POS. Hat sich heimlich mit dem Pfarrer im Ort abgesprochen, damit man sich bei Jugendweihe und Konfirmation nicht in die Quere kam. Wurde bei jeder Direktorentagung während der interfraktionellen Sitzung der SED wie ein kleiner Junge vor die Tür geschickt und stets gern an den Pranger gestellt, wenn er mal wieder keine Freiwilligen für die Berufsunter- und oberoffizierslaufbahn geworben hatte. Hat aber trotzdem durchgesetzt, daß er regelmäßig die Westverwandtschaft (sein Bruder) empfangen durfte und auch selbst besucht hat.


    Meine Mutter berichtet von ähnlichen kleineren und größeren Schikanen. Wollte vor der Schicht in der LPG noch eben wählen gehen, tritt ein und ihr wird eröffnet, daß die Wahl noch nicht begonnen hat und sie noch warten soll. Augenblicke später tritt ein Genosse ein und wird mit Blumenstrauß als erster Wähler des Tages begrüßt. Oder wenn es (2 Ortsteile, Konsum in unserem Ortsteil, Kaufhalle drüben im anderen Ortsteil) im Konsum keine Bananen mehr gab und in der Kaufhalle ihr die Bananen verweigert wurden mit dem Hinweis, daß sie im falschen Ortsteil wäre. Dann hat sie sich gar nichts draus gemacht an Ort und Stelle auf den Tisch zu hauen und die versammelte Belegschaft zu fragen, ob es denn nicht reiche, das Land zu teilen, sondern jetzt auch noch der Ort geteilt werden müsse. Zog natürlich sofort Kreise und auch mein Opa bekam gleich wieder eine auf den Deckel, aber, oh Wunder, am gleichen Tag kam noch eine Lieferung Bananen.


    Was ich damit sagen will: es wird regional sehr unterschiedlich gewesen sein. Manche (z.B. wir) sind hin und wieder angeeckt, aber eigentlich immer glimpflich davon gekommen. Andere hatten Pech und mußten mit mehr oder weniger bösen Konsequenzen leben und wieder andere sind nie angeeckt, weil sie voll hinter dem System standen. Weder das eine, noch das andere ist die eine richtige Wahrheit, sondern alles zusammen sind Wahrheiten, die es alle gab.


    Unser Nachbar z.B. (er war bei den Kampfgruppen) gab vor einiger Zeit mal zu, daß er natürlich auch auf uns als Nachbarn geschossen hätte, wenn der Befehl dazu gekommen wäre. Tja, soll man nun den Kontakt zu ihm einstellen? Die Zeiten sind lange vorbei, er ist mittlerweile alt und gebrechlich und gut verstanden haben wir uns auch immer. Unser Fazit: wir stellen den Kontakt nicht ein. Fällt uns ja auch leicht, ist ja nie was passiert. Jemand, der konkret unter dem MfS zu leiden hatte, wird das im Einzelfall anders bewerten, wenn der Nachbar IM war. Muß ja aber auch jeder selber entscheiden, wie er damit umgeht.


    Und man muß das wohl auch zeitlich gesehen ziemlich unterschiedlich betrachten. Meine Mutter sagt z.B. eindeutig, daß ab Anfang der 80er Jahre die Versorgungslage spürbar schlechter wurde; bis dahin ging es wohl eigentlich noch. Und auch der polit. Druck muß in dieser Zeit (zumindest war das bei uns so) andere Ausmaße angenommen haben, zumindest ist das die Zeit, in der mein Opa dann den Direktorenposten "aus gesundheitlichen Gründen" niederlegte und nur noch Lehrer war. Der wahre Grund: er sollte sich von seinem Bruder lossagen. Sah er aber nicht ein. Schwups war er nicht mehr Direktor, konnte somit aber den Kontakt zur Westverwandtschaft aufrecht erhalten.

    sapere aude! incipe! (Horaz)
    (bzw. frei nach F. v. Schiller: "Erdreiste Dich zu denken!")

  • Ansonsten habe ich knapp 20 Jahre der DDR erleben dürfen. Mein Fazit: Tolle Kindheit, großartige Jugend.

    Einzig diese vormilitärische Ausbildung hat mir nie gefallen. Warum bringt man Kindern - ich war 12 oder 13 - bei, wie man eine Kalaschnikow auseinander nimmt und wieder zusammenbaut? Warum muss ich im Sportunterricht mit Handgranaten(Atrappen) werfen?

    Da gehe ich absolut mit/empfinde das genauso. Wenn mir in der Deutschen Demoratischen etwas richtig auf den Zünder gegangen ist, dann dieser allgegenwärtige Militarismus (dessen Kosten - Geld, Material und vor allem auch Personalaufwand defin. einer der großen Sargnägel dieses Staates waren). Und das (auf den Zünder gehen) vor allem auch in der Schule/Berufsschule (Kindergarten mußte ich nie - Oma war ja da :)).

    Zur Wende war ich aber schon 24 und "durfte" unglücklicherweise noch meine vollen 18 Monate (also eineinhalb lange Jahre...) Wehrdienst runterreißen, bis Oktober 89...X/

    Ich sehe das als die sinnloseste Zeit meines Lebens an - was sich schon alleine daran beweist, daß ich (zum Glück nur indirekt, als Kraftfahrer in einer Stabskompanie) eine mit unglaublichem Aufwand (siehe oben) abgesicherte Grenze zu bewachen hatte (einen weiteren Sargnagel also), die just nur rund 1 Monat nach meiner Entlassung plötzlich offen war und völlig überflüssig wurde. Drill gab es viel, Urlaub und Freizeit wenig, Freiheit (fast) gar nicht. Nach 11 Wo das erste mal nach Hause für ein verlängertes WE und auch später nur sehr selten und nur kurz - würde sich heute kein ´Rekrut´ mehr gefallen lassen (müssen). Wenn ich also an diese Zeit denke, dann habe ich genau das vor Augen, was mich an der DDR wirklich gestört hat.

    Reisefreiheit gen Westen kannte man nicht, wirklich vermisst habe ich diese darum wohl auch nicht. Wir haben in Jugendjahren öfter gezeltet (so hieß das Campen damals noch) und anno 87 ging´s via Jugentourist und IL18 sogar mal nach Sonnenstrand/Bulgarien. Waren tolle Urlaubsreisen, sowohl als auch...:)

    (wobei es durchaus immer ein Kindheits- und Jugendtraum war, 1x über den großen Teich zu reisen und sich Route 66, Grand Canyon, Yosemite und die grandiosen Mammutbäume anzusehen - aber das war ja quasi wie eine Reise zum Mond. Ende der 90er ist die Rakete dann aber tatsächlich doch gestartet... 8))

    Auch bei mir sind diverse Ostseeurlaube mit meinen Eltern & teilw. auch noch mit meiner Schwester in schöner Erinnerung geblieben (später oft in Polen, wo wir in Danzig bei einer netten Fam. mit im Neubaublock wohnten - später sind die in den Westen ´abgehauen´, leider ist danach jeder Kontakt abgerissen...).

    Absolutes Reise-Highlight in Kindertagen war aber die Ungarn-Tour anno´71!

    2 Wo in Baltonfüred, dann noch ein paar Tage Budapest (und nur EIN Tag Regen!). Das war (bzw. erschien einem) echt schon fast wie Westen, irgendwie. ;) Und all das zu viert in der (damals noch fast neuen) 601er deluxe Limo, blau mit weißem Dach. :top: - Vollgestopft mit Gepäck und Fressalien aller Art.

    War (in Vor-Autobahnzeiten in CS) eine 2,5 Tagesreise - auch diese ein unvergessliches Erlebnis! Muß mal wieder Vaters Dias rauskramen...

  • Ist das die vielgepriesene Toleranz? ;)

    Sowas gibt es bei einigen nicht :/

    Viele Menschen wurden dazu erzogen, nicht mit vollem Mund zu sprechen. Aber sie scheuen sich nicht, es mit leerem Kopf zu tun (Orson Welles)

  • Ich weiß nicht wohin damit, hab ich grad in nem 1980er Bummi gefunden:

    Wenn ich einen See seh, brauch ich kein Meer mehr. :winker: