Die Mär, daß der Trabi ein besonders unsicheres, ja gefährliches Fahrzeug sei, hält sich seit der Wende hartnäckig. Nicht ganz unschuldig dürfte daran der bekannte Unfallforscher Max Danner sein, der zwar durch seinen vehementen Einsatz für die Gurtpflicht sicherlich Verdienste erwarb, in diesem Fall jedoch vor allem ideologisch einfärbte Polemiken von sich gegeben hat.
Dabei sollte auch der Hintergrund beachtet werden, daß Danner als CSU-Mitglied schon aus politischen Gründen keine objektive Betrachtung des DDR-Volkswagens über die Lippen kommen konnte.
Natürlich ist der Trabi sicherheitstechnisch nicht auf dem Stand moderner Automobile. Ihn sollten daher nur Menschen fahren, die z.B. mit seiner schwächlichen, zum Blockieren neigenden Trommelbremsanlage umgehen können. Wenn man in der Lage ist, vorausschauend zu fahren, kann man auch mit der Trabi-Bremsanlage sicher unterwegs sein - es richtet sich hier jedoch nach dem Fahrer! Daß man mit dem bißchen Leistung nach Möglichkeit keine Überholmanöver starten sollte, dürfte denkenden Fahrern ebenfalls klar sein, genauso wie die Einsicht, daß LKW-Kolonnenfahrten auf der Autobahn besser unterbleiben sollten. Das Fahrwerk hingegen bietet genügend Reserven für die normalerweise gefahrenen Geschwindigkeiten, wie der berühmte Trabi-Elchtest, welcher noch mit 75 km/h absolviert wurde, eindrucksvoll bewies. So viel also zur aktiven Sicherheit.
Auch die passive Sicherheit ist längst nicht so schlecht, wie der Volksmund behauptet. Der im Mai 1990 (Heft 21) unter dem reißerischen Titel "Immer mehr Unfälle und Verletzte - ist der Trabi schuld?" in der Auto Bild veröffentlichte Trabi-Crashtest zeigte dann auch, daß sich die Fahrgastzelle kaum verformt hatte, sich die Türen ohne Probleme öffnen (und schließen!) ließen und auch der Tank intakt geblieben war. Auch Sitzverankerungen und Gurte hatten tadellos gehalten. Die HIC (Head Injury Criteria)-Werte lagen für den Fahrer bei 727, für den Beifahrer bei 438. Der Grenzwert für Lebensgefahr liegt bei HIC 1000. Die starre Bodengruppe hatte den Crash aufgefangen, beim Smart mit seiner Sicherheitszelle funktioniert das Sicherheitskonzept bis heute im Grunde nicht anders (dort allerdings in Kombination mit Airbags).
Da der Text aber nicht zu positiv ausklingen durfte, verstieg sich der Springer-Journalist (für Axel Springer und somit auch die Publikationen seines Hauses war die DDR ebenfalls das Reich des Bösen gewesen und ihr Name durfte in Artikeln nur in Anführungsstrichen geschrieben werden) in ständig wiederholte Szenarien, wie "hochbrennbar" doch die Plaste sei. Und Max Danner fügte noch hinzu, daß der Trabi bei einem Heckaufprall komplett zerstört würde. Er hätte es in seinem Institut ausprobiert. Stimmt, hat er, aber ich weiß auch, mit was für einem Fahrzeug - einem uralten Trabant 600 mit starken Rostschäden. Für Max Danner reichte dies aber offenbar aus, um zu behaupten: "Hoffentlich stirbt der Trabi bald aus, er ist eine öffentliche Gefahr und gehört von der Straße genommen."
Und dabei blieb es dann in der öffentlichen Wahrnehmung. Wenn man sich hingegen die Crashwerte von Anfang der 90er Jahre aktuellen Kleinwagen anschaut, kann es sich dabei nur um eine sehr selektive Wahrnehmung gehandelt haben, da dann eigentlich gleich die gesamte damalige Kleinwagenklasse mit von der Straße verbannt gehört hätte. Gegen manche von diesen Autos ist der Trabi nämlich geradezu ein Panzer.
Ebenfalls Auto Bild, Kleinwagencrashtest von 1993: Fiat Cinquecento, Daihatsu Cuore, Nissan Micra, Renault Twingo, Opel Corsa B traten an. Vor allem der Fiat bietet ein Bild des Grauens, er fällt in sich zusammen wie ein Kartenhaus, die Fahrertür kann nicht mehr geöffnet werden (bzw. ist als solche kaum mehr vorhanden), der Fahrer wird eingeklemmt, das Armaturenbrett wandert 20 cm ins Innere. Der Daihatsu schiebt sich auch ordentlich zusammen, Türöffnen geht nur mit Trennscheibe, die Knie donnern so gegen die Lenksäule, daß die Verkleidung bricht. Der Micra bietet zwar eine stabilere Karosserie mit genügend Überlebensraum, aber auch hier braucht es schweres Gerät, um die Tür zu öffnen und der Kopf knallt mit 830 HIC aufs Lenkrad. Der frühe Twingo hat eine zu weiche Fahrgastzelle, die schlecht befestigte Lenksäule stellt sich überdies senkrecht auf, auch reißen die Rücksitze aus der Verankerung. Dafür läßt sich wie durch ein Wunder (selbst das Dach ist eingerissen) die Tür von Hand öffnen. Bester ist hier der Corsa, aber auch bei ihm wandert das Lenkrad 12 cm zum Fahrer hin. Die serienmäßigen Gurtstraffer halten ihn aber gut am Platz. Auch hier läßt sich die Tür nicht von Hand öffnen. So viel zu den modernen Kleinwagen der Nachwendezeit, die auch heute noch viel als Zweitwagen laufen. Bei Fiat war übrigens selbst der Nachfolger Seicento mit Airbags kaum besser, denn was nützt ein Airbag, wenn das Auto darum herum sich zusammenfaltet? Renault hingegen verbesserte den Twingo in der Folge stetig.
Als „Sicherheitspapst“ ist Danner für mich ohnehin nur bedingt glaubwürdig, da ich Doppelmoral nicht ausstehen kann. Anfang der 80er erhitzte ein Unfall des damaligen CSU-Generalsekretärs Otto Wiesheu die Gemüter. 1,99 Promille, ein Toter, ein Schwerverletzter. Er kam schließlich mit nur zwölf Monaten auf Bewährung davon (die erste Instanz hatte noch 13 Monate ohne Bewährung verhängt). Später wurde er dann übrigens noch bayrischer Verkehrsminister... Und wieso ist Wiesheu nur mit einer Bewährungsstrafe davongekommen? Weil sich sein Parteifreund Max Danner als Gerichtsgutachter sehr für ihn eingesetzt hatte! Er drehte den Unfallhergang zusammen mit dem Anwalt Wiesheus so lange hin und her, bis das Gericht sich teilweise der Argumentation anschloß, dem Unfallgegner sei eine Teilschuld zu geben, da er ja schließlich so leichtsinnig gewesen sei, mit einem rostigen Fiat 500 am Straßenverkehr teilzunehmen... Moment mal, wer war dem Fiat-Fahrer denn bitte besoffen reingefahren?
( http://www.zeit.de/1985/32/Ein-Fall-wie-jeder-andere?page=1 )
Knapp sieben Jahre später hatte Danner dann selbst mit 2,23 Promille in München einen Auffahrunfall. Das ist ein Wert, bei dem Menschen, die keinen Alkohol gewohnt sind, schon besinnungslos in der Ecke liegen. Darauf kann sich nun jeder selbst einen Reim machen... Der Trabi ist an allem schuld, aber besoffen fahren ist nur ein Kavaliersdelikt... schon klar.
"Hoffentlich sterben betrunkene Autofahrer bald aus, sie sind eine öffentliche Gefahr und gehören von der Straße genommen." fällt mir noch dazu ein. Oder: "Immer mehr Unfälle und Verletzte - meistens ist die Unvernunft der Autofahrer schuld".
Und ich fahre weiter Trabi. Mit Gurten, Kopfstützen und eingeschaltetem Hirn natürlich. Sicher ist sicher...